Neuburg
Das "Powerhouse" ist kein Gebäude

Pilates ist ein gutes Training für die Figur und optimiert die Haltung Ein Selbstversuch

22.03.2016 | Stand 02.12.2020, 20:03 Uhr

Übungen für die Schultern, Training der Becken- oder Bauchmuskulatur und Atemübungen gehören zu einer Pilates-Stunde. - Foto: Reißner

Neuburg (DK) Pilates ist ein systematisches Ganzkörpertraining, das sowohl den Körper als auch den Geist beansprucht. Joseph H. Pilates entwickelte diese Trainingsmethode. Zweimal im Jahr bietet die vhs Neuburg einen Pilateskurs an. Ein Selbstversuch.

Neuburg (DK) "Eeeinatmen..., aaausatmen...", spricht die Kursleiterin Hannelore Kugler bedächtig. Die Aufwärmübungen sind wirklich sehr angenehm: mit geschlossenen Augen ausgestreckt auf dem Rücken liegen. Entspannung pur. Der Fokus soll auf die Atmung gelenkt und der Alltag ausgeblendet werden. "Mit dem Einatmen nehmt ihr alles Positive auf, beim Ausatmen gebt ihr alles Negative ab", erklärt sie weiter. Anfangs fällt es schwer, sich völlig zu entspannen und an nichts anderes als die Atmung zu denken. Das erfordert schon einiges an Konzentration. Also versucht man zuerst, positive und negative Gedanken zu sortieren - was aber der falsche Ansatz ist, wie sich schnell herausstellt. Man ist dabei viel zu sehr mit den Gedanken beschäftigt, um das Augenmerk auf die Atmung zu lenken. Also wird jetzt versucht, das Ganze abstrakter und gefühlsbetonter zu sehen. Naja, gelingt zum Teil. Als Steigerung soll nun beim Ausatmen das "Powerhouse" aktiviert werden. Wie bitte? Für die Teilnehmer der fortgeschrittenen Gruppe ist das ein alter Hut. Als Anfänger kann man sich aber darunter nicht viel vorstellen. Gut, dass Kursleiterin Kugler noch einmal erklärt, was zu tun ist: Bauchnabel einziehen, Taille zusammenziehen und Beckenboden anspannen. Ganz schön viel auf einmal. Jetzt soll auch noch die Wirbelsäule beim Ein- und Ausatmen auf dem Boden auf- und abgerollt und das Becken am Schluss angehoben werden. Das erfordert zwar anfangs eine Menge Konzentration, doch wenn man sich einmal an den Rhythmus und den Ablauf der Übung gewöhnt hat, kann man sich auf das Gefühl der Streckung und Dehnung der Wirbelsäule fokussieren. Gerade als die Müdigkeit einsetzt und man am liebsten die Augen zumachen und ein kleines Nickerchen machen möchte, neigt sich das Aufwärmen dem Ende zu. Glück gehabt. Durch den langsamen Atemrhythmus denkt der Körper wohl, er könne gleich schlafen.

Langsam, immer noch auf dem Rücken liegend, beginnt das Training der Bauchmuskulatur. Durch das kontrollierte, langsame und den Übungen angepasste Ein- und Ausatmen und das Anspannen des "Powerhouse" gelingen die Übungen mit weniger Anstrengung als erwartet. Die Regel ist ganz einfach: Beim Ausatmen wird das "Powerhouse" aktiviert, beim Einatmen wird es entspannt. Die Übungen, die Situps in verschiedenen Variationen ähneln, werden nicht etwa schnell durchgezogen wie im Fitnessstudio. Nein. Hier geht es um das bewusste Anspannen der Muskeln, das Hineinfühlen in die Übung und das Halten der Anspannung. Oberkörper anheben, haaaalten und wieder ablegen.

Weiter geht's im Vierfüßlerstand: Die Wirbelsäule wird ein weiteres Mal durch bewusste Atemübungen gedehnt. Natürlich ist wieder das "Powerhouse" mit im Spiel und auch der "Katzenbuckel" fehlt bei dieser Übung nicht. Langsam macht sich das ungewohnte häufige Anspannen der Muskeln im unteren Bauch bemerkbar. Da melden sich Muskeln, von dessen Existenz man nicht einmal wusste. Die vorletzte Stellung ist die Bauchlage. Die Stirn liegt auf den Händen auf, der Blick ist gen Boden gerichtet. Nun wird zuerst einige Male das rechte Bein beim Ausatmen mit gleichzeitiger Anspannung des "Powerhouse" vom Boden gehoben. Das Gleiche geschieht auch einige Male mit dem linken Bein. Währenddessen gewöhnen sich Augen, Kopf und Körper an die durch die Lage geschaffene, abgedunkelte, entspannte Haltung und die Müdigkeit überkommt einen ein weiteres Mal. Um den Kreislauf wieder etwas mehr in Schwung zu bringen, stehen nun die Kursleiterin und ihre Teilnehmer auf. "Powerhouse" anspannen und langsam gleichzeitig mit dem Ausatmen auf die Zehenspitzen stellen. Einatmen, entspannen und wieder zurück auf den Boden kommen. Als kleine Steigerung sollen die Frauen nun versuchen, während zweier Atemzüge auf den Zehenspitzen zu bleiben und die Muskeln angespannt zu lassen. Für jemanden mit einigen Jahren Balletterfahrung ein Kinderspiel. Für einige andere Kursteilnehmer ein schier aussichtsloses Unterfangen.

Zum Einsatz kommt jetzt wieder ein Softball. Ein Fuß wird darauf abgestellt, mit dem anderen stellt man sich wieder auf die Zehenspitzen. Auch das ist eine ziemlich wackelige Angelegenheit, die für viele Teilnehmer nicht zu meistern ist. Klar - der Ball rollt hin und her, der andere Fuß steht nicht fest auf dem Boden und man muss sich auf die Anspannung des "Powerhouse" konzentrieren. Das verlangt einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn sowie strikte Fokussierung auf die Übung. Um diese zu erleichtern, wird nun darauf verzichtet, einen Fuß auf die Zehenspitzen zu stellen. Der Ball wird lediglich mit dem darauf stehenden Fuß hin- und hergerollt. Manch einer könnte sich nun fragen, was mit damit bewirkt werden soll. Die Versuche, darin einen Sinn zu finden, scheitern mit der Erkenntnis, dass die Gedanken schon längst woanders sind. Aber als Anfänger kann man schon einmal eine Übung der Fortgeschrittenen ganz offensichtlich falsch machen.

Die Nützlichkeit der letzten Übung erschließt sich einfacher: Armbewegungen nach oben, Anspannung des "Powerhouse" und dazu passendes Ein- und Ausatmen fördern eine aufrechte Haltung. So viel ist sicher: Der Rücken, der Rumpf und die Wirbelsäule danken einem die Pilates-Übungen.

Um eine dauerhafte Stärkung der Haltungsmuskeln zu erreichen, reicht ein einmaliger Kurs jedoch nicht aus. Vielmehr sollte man das Pilates in den Alltag integrieren, meint Kursleiterin Hannelore Kugler. Das ginge ganz einfach: "Das ,Powerhouse' beim Beten in der Kirche, beim Anstehen an der Kasse oder am Kopierer aktivieren - und schon hat man mehr Selbstbewusstsein", erklärt Kugler. Dieses kommt durch die aufrechtere Haltung zustande.