Kleinhohenried
Das Moor sackt und sackt

Tagung im Haus im Moos - Torfschwund verleiht Klimawandel zusätzliche Dynamik - Wissenschaftler raten zu Renaturierung

24.09.2019 | Stand 02.12.2020, 12:59 Uhr
Eine Zukunft nur mit dem Wasser: Matthias Drösler (r.), Professor am Institut für Ökologie und Landschaft, ist besorgt wegen des Moorschwundes und der massiven Emissionen aus dem Torfkörper. Er sackt und sackt. Der Boden ist seit 1835 um fast drei Meter abgesunken. Kreisheimatpfleger Manfred Veit (mit Mikrofon) erklärte die Entstehungsgeschichte des Moospegels. −Foto: Frank

Kleinhohenried (SZ) Es steht schlecht um die bayerischen Moore.

95 Prozent der Fläche sind entwässert, von Straßen durchzogen oder überbaut. Damit sind vielfältige Lebensgemeinschaften von Flora und Fauna verschwunden oder stark gefährdet. Neueren Datums ist die Erkenntnis, dass Moore als gigantische Kohlenstoffspeicher von großer Bedeutung für den Klimaschutz sind. Die Wissenschaft ist sich einig, das dringender Handlungsbedarf besteht. Vor diesem Hintergrund fand in der Umweltbildungsstätte Haus im Moos jetzt eine hochkarätig besetzte Fachtagung statt, die auch der kulturhistorischen Bedeutung der Moorbesiedelung Rechnung trug.

Landrat Peter von der Grün (FW) sieht das Donaumoos zwischen Neuburg und Schrobenhausen als Kulturlandschaft und "verbindendes Element" zwischen dem südlichen und dem nördlichen Landkreis. Er weiß aber auch um die Bedeutung als "Hochwasserspeicher, der nicht zu unterschätzen ist" und die Funktion des Mooses für das Klima. "Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, auch im Hinblick auf den Klimaschutz", sagte er in seinem Grußwort an rund 90 Besucher aus ganz Bayern und darüber hinaus, die zur Fachtagung "Zukunft Landschaft: Moore, Moose, Filze in Bayern" nach Kleinhohenried gekommen waren. Wissenschaftler legten ihre Erkenntnisse dar, am zweiten Tag stand eine Bustour zu landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten auf dem Programm.

Von der Grün beließ es nicht bei seinem Bekenntnis zur Verantwortung der Politik, er versicherte den Zuhörern: "Wir werden an die Staatsregierung schreiben, mit der Bitte um Unterstützung beim Moorschutz. " Unter anderem verfolgt er den Gedanken seines Vorgängers Roland Weigert, inzwischen Staatssekretär im bayerischen Wirtschaftsministerium, weiter, ein Moor-Institut im Donaumoos zu etablieren, damit an Ort und Stelle geforscht werden kann. "Wir sind super gut aufgestellt. Wir haben zwei Abgeordnete im Landtag", sagte von der Grün mit Hinweis auf Weigert (FW) und den Neuburger Matthias Enghuber (CSU). Die Zeit drängt, denn laut Naturschutzbund Deutschland werden ein Drittel des terrestrischen Kohlenstoffs in Mooren gebunden - seit vielen Jahrtausenden. Wird der Torfboden abgebaut oder umgeackert, wird aus dem Kohlenstoff das Treibhausgas CO2, verstärkt durch das noch klimaschädlichere Lachgas. Ein Entwicklungskonzept für das Donaumoos gibt es seit vielen Jahren. Kernpunkte waren der Hochwasser- und Torfkörperschutz, die landwirtschaftliche Nutzung sowie der Arten- und Biotopschutz. Vom Klimawandel war seinerzeit noch nicht die Rede. Außerdem wurde in diesem Konzept das Prinzip der Freiwilligkeit festgeschrieben. Niemand sollte zu etwas gezwungen werden.

Was ist seitdem geschehen? Punktuell gibt es wieder eine erwünschte Beweidung in den Rückhalteräumen, die aber in ihrer Anzahl weit hinter dem sportlichen Ansatz zurückgeblieben sind. Außerdem sackt der Moorboden als Folge der Entwässerung weiter ab. Seit 1835 sind es fast drei Meter, wie die Teilnehmer der Tagung auf ihrer Tour am Moospegel in Ludwigsmoos eindrucksvoll sehen konnten.

"Ich hätte auch gerne große Moorflächen renaturiert, aber man muss auch die Menschen mitnehmen", erklärte Verbands-Geschäftsführer Michael Hafner, weshalb die Schlagzahl beim Torfkörperschutz nicht so hoch ist wie erhofft. Der Zweckverband ist darauf angewiesen, Grundstücke zu bekommen. Außerdem dürfen Grundstücksnachbarn in ihrer Bewirtschaftung nicht beeinträchtigt werden. Dennoch gibt es positive Brennpunkte wie den Rückhalteraum Seeanger bei Pöttmes, den Baierner Flecken bei Ehekirchen und den Rückhalteraum Sandizell. Auch Moormächtigkeiten von noch mehreren Metern geben Anlass zur Hoffnung. Aktuell groß in einer kontroversen Diskussion ist die Schorner Röste als Projekt für den Moorschutz. "Die Landwirte brauchen ihre Flächen. Das verstehen wir auch. Wir müssen Angebote machen, damit sie existieren können und zukunftsfähig sind", erklärte Hafner die Marschrichtung. Seinem Verständnis nach ließen sich Photovoltaik und Moorschutz gut kombinieren. "Dass uns die Grünlandlandwirte abhanden kommen", sei keine gute Entwicklung. "Es geht bergab", stellte Karl Auerswald, Professor am Lehrstuhl für Gründlandlehre der TU München fest. Waren es landesweit 1960 noch 1,7 Millionen Hektar Grünland, ist die Fläche auf 1,1 Millionen geschrumpft. Dabei gebe es keinen Unterschied beim Einkommen von Ackerbau- und Grünlandbetrieben. Als Ursache für den Wandel nannte Auerswald die Entwässerung. So seien in der Lech-Aue nördlich von Gersthofen Wald und Wiesen fast vollständig verschwunden, weil sie auf einen hohen Grundwasserstand angewiesen seien, sich der Lech aber pro Jahr um etwa zweieinhalb Zentimeter eintiefe. "Aus einem feuchten Standort ist eine Steppe geworden", fasste der Wissenschaftler zusammen. "Weniger als zehn Prozent der Fließgewässer in Deutschland sind in einem guten Zustand. "

Und wie sieht es im Donaumoos aus? "Absoluter Spitzenreiter in Bayern bei Emissionen aus Mooren ist das Donaumoos", stellte Matthias Drösler, Professor am Institut für Ökologie und Landschaft Freising, in seinem Vortrag fest, der "ohne jede Schuldzuweisung" verstanden werden solle. 80 Prozent der Flächen im Moos würden unter den Pflug genommen. "So viel wie nirgendwo in einem Niedermoor. " Aktuell sei ein Moorschwund von bis zu drei Zentimetern im Jahr festzustellen. "Die Entwässerung führt zu einer Verschlechterung der Wirtschaftsbedingungen", warnte Drösler. "Je höher der Wasserstand, umso geringer sind die Emissionen. Wenn wir eine Zukunft haben wollen, geht es nur mit dem Wasser und nicht gegen das Wasser. " Zur Veranschaulichung hatte er vier Meter Bodenprofil aus dem Moos mit dabei.

Was kann man machen? "Extensivierung, Umnutzung, Renaturierung", schlug Drösler vor und brachte Paludikulturen ins Spiel. Das können Röhrichte als Baustoff oder Torfmoose als Substrate für den Gartenbau sein. Doch dafür muss es einen Markt geben. "Die Forschung muss die Erkenntnisse liefern und die Politik die Förderung", betonte der Wissenschaftler.

Dass die Moornutzung endlich ist, wenn das Land bis zu drei Zentimeter im Jahr absinkt, steht für Annette Freibauer von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft fest. Der Staat könnte gegensteuern. "Bayern kann in der Agrarförderung viel von anderen Bundesländern lernen", findet sie. Die gezielte Moorvernichtung ist zwar vorbei. Doch viel ist nicht übrig geblieben, resümierte der Rosenheimer Landschaftsökologe Alfred Ringler in einer gesamtbayerischen Schau. So seien vom Dachauer Moos nur noch Rudimente vorhanden. Er gab zu bedenken, dass jede Baumaßnahme dem Moor das Wasser abgraben könne.

Um den Besuchern einen Eindruck vom größten Niedermoor Süddeutschlands zu vermitteln, stand am zweiten Tag der Fachtagung eine Busexkursion durch den Landkreis an. Es war eine Mischung aus Natur und Kultur. Die Fahrt führte nach Lichtenheim ans Geburtshaus des berühmten Hygienikers Max von Pettenkofer sowie zum Moorversuchsgut in Karlshuld, in den Anfängen eine Fabrik für Spankörbe. Der Moospegel in Ludwigsmoos, das Hochwasserückhaltebecken Baierner Flecken, in dem heuer sogar die Rohrdommel gesichtet wurde, der Moosberg und die Sandizeller Kirche, durch die Kreisheimatpfleger Manfred Veit führte, waren weitere Stationen, die das Moos in seiner Vielseitigkeit zeigten.