Ingolstadt
Das Monster auf der Leinwand

"Mary Shelley's Frankenstein" lief jetzt im Turm Baur - im Film taucht Ingolstadt als Schauplatz auf

27.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:55 Uhr
Frankensteins Kreatur (hier gespielt von Robert De Niro) ist zum Leben erwacht und kämpft verzweifelt um Anerkennung. Das Drama war jetzt im Kino-Open-Air zu sehen. −Foto: Brandl

Ingolstadt (DK) Ingolstadt anno 1793: Ein junger Arzt rast wie besessen durch ein düsteres Labor im Dachgewölbe der Universität.

Er zerrt an Schläuchen, reißt an Hebeln und setzt schließlich einen raffinierten Mechanismus in Bewegung, der eine stählerne Bahre mit einem massigen Wesen darauf, ratternd wie auf Schienen, quer durch den ganzen Raum transportiert. Dann blitzt und zuckt es, und Frankensmteins Kreatur erwacht zum Leben.

Ingolstadt, 225 Jahre später: Draußen ist es ungewöhnlich kühl für einen Abend Ende August. Unter hohen Kastanienbäumen versammeln sich in der hereinbrechenden Abenddämmerung trotzdem tapfer einige filmbegeisterte Menschen. Sie warten darauf, dass sich das Tor zum altehrwürdigen Turm Baur öffnet. Dann treten sie ein, nehmen Platz auf der Holztribüne und lassen sich auf der Leinwand ins Ingolstadt im Zeitalter der Aufklärung entführen. Hin zu dem Ort, an dem im Roman von Mary Shelley Doktor Victor Frankenstein aus Genf sein Monster erschaffen hat. Die Neuverfilmung von Kenneth Branagh aus dem Jahr 1994 mit Robert De Niro in der Hauptrolle (er spielt die Kreatur) stand jetzt auf dem Programm des Kino-Open-Air. Anlass war der 200. Jahrestag des Erscheinens des Buches, in dem die ehemalige Universität zu Ingolstadt ein nicht unwesentlicher Schauplatz der Geschichte um Frankensteins Geschöpf ist.

Unter den Zuschauern an diesem Abend sind Silvia, Joachim und Denise aus dem Raum Ingolstadt. Die jungen Leute hoffen auf einen interessanten Kinoabend. "Ein guter Film muss ans Gemüt gehen", sagt Joachim. Von Frankenstein habe er schon oft gehört, die Geschichte kenne er von der gleichnamigen Stadtführung. "Den Film habe ich aber noch nicht gesehen. " Silvia ergeht es ähnlich. "Frankenstein ist mir ein Begriff, aber ich habe bisher weder das Buch gelesen noch den Film gesehen", sagt sie. Anders Denise, die die beiden begleitet. "Bei Frankenstein habe ich immer Angst gehabt, wenn ich das mit der Familie geguckt habe", verrät sie.

Frankensteins Monster - das künstlich erschaffene Wesen - ist von Beginn seiner Existenz an zur Aussätzigkeit verdammt, wird böse und sogar zum Mörder. Ein schlechtes Omen für die sich immer weiter entwickelnde künstliche Intelligenz im 21. Jahrhundert? "Die Gefahr liegt in der Einstellung der Maschinen", findet Joachim und fragt sich, ob man Maschinen überhaupt Menschenleben anvertrauen sollte. "Nicht alles, was mit künstlicher Intelligenz zu tun hat, ist negativ", sagt Silvia und nennt als Beispiele die Medizin und Navigation übers Handy. Dass Roboter jedoch eines Tages die Pflege alter Menschen übernehmen könnten, ist für alle drei eine noch abstrakte Vorstellung. "Wo bleibt da die menschliche Wärme? ", fragt Denise. Und auch Joachim hat hier ethische Bedenken. "Ich glaube, wir sind uns über die Konsequenzen dieser Entwicklung noch nicht klar", sagt er.

Imponiert hat allen die Darstellung von Ingolstadt im Film mit den imposanten Toren und Gebäuden. Für die Kreatur hingegen empfinden sie nur Mitleid. "Sie versucht, Gutes zu tun, bleibt aber ein Unwesen", stellt Silvia fest. Sie glaubt, dass ein Mensch, der keine Heimat, keine Kindheit und keine Erfahrung hatte, damals einen besonders schweren Stand gehabt haben muss. "Ich denke, die Geschichte wird einen negativen Ausgang nehmen", mutmaßt sie in der Pause. Das tut sie. Allerdings weit weg von Ingolstadt - im Nordpolarmeer.

Michael Brandl