Ingolstadt
Das Lachen des Philosophen

In "Mr. Pilks Irrenhaus" geht es auf amüsante Weise um existenzielle Fragen – Ken Campbells Stück feiert im Ingolstädter Herzogskasten Premiere

07.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr

Denken macht krank: Der Mann (Sascha Römisch) wird von der Ärztin (Teresa Trauth) untersucht. - Foto: Ohla

Ingolstadt (DK) Wir kennen die Menschen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Eifersüchtige Liebhaber sind es, die ihre Partner beim Ehebruch ertappen, Leute, die um das Leben anderer fürchten oder selbst bedroht werden und in Todesangst schweben. Aber kann man verzweifeln, weil man nicht weiß, ob ein Tisch mindestens 28 Zentimeter lange Beine haben muss, um noch als Tisch durchzugehen und nicht als Tablett bezeichnet werden muss? Oder aus dem Häuschen geraten, weil man sich nicht sicher ist, ob die Mikroben im Käse eigenständige Objekte sind, oder doch wesenhaft zu diesem Milchprodukt selbst gehören? Irre, oder

Sascha Römisch spielt diesen Mann, der nicht weiß, wo die Dinge anfangen und wo sie aufhören, der sich im Dickicht der Begrifflichkeit so angstvoll verirrt, als wäre er im Dschungel, und Kopfgeldjäger trachteten ihm nach dem Leben. Der Mann ist eine Figur in einem der Kurzdramen von Ken Campbell, die er geschickt zu dem Theaterstück „Mr. Pilks Irrenhaus“ kompiliert hat, das am Samstag im Studio des Theaters Ingolstadt unter der Regie von Jens Poth Premiere hatte.

Römisch verkörpert diese Figur hinreißend. Weil er ihre existenzielle Not ernst nimmt, weil er vor Verzweiflung brüllt und tobt. Und weil er gleichzeitig weiß, wie lächerlich er ist und sich mit aller Kraft zu beruhigen versucht, dabei anfängt zu tänzeln und zu trällern, um auf andere Gedanken zu kommen. Und damit noch lachhafter ist.

Aber wie bei jeder guten Komik weiß man bei dem britischen Autor Campbell nie so richtig, ob man lachen darf oder ob es doch um so ernste Dinge geht, dass einem das Grinsen im Gesicht gefrieren sollte. Jedenfalls amüsiert man sich hier auf hohem Niveau, jedes Glucksen signalisiert einen Erkenntnisgewinn.

Irre im klinischen Sinne ist in diesem Stück eigentlich niemand. Die Figuren sind eher ein bisschen zu normal, in ihrem Leben tut sich nichts, also wenden und hinterfragen sie die einfachen Dinge so lange, bis sie plötzlich die ganze Welt aus den Angeln gehoben haben. Da gibt es den Mann, der darüber grübelt, ob er wirklich zu Haus ist und nicht vielmehr in einer Kopie seines Hauses. Oder die Spione, die den Fallstricken der Sprachlogik zum Opfer fallen, weil sie einen besonders gewitzten Code ausprobieren. Oder der Mann, der sich selbst entfremdet ist und ständig über sein eigenes Nachdenken nachdenken muss. Es geht fast immer um letzte Fragen, darum, was Wirklichkeit ist, und um die Probleme der Identität. Also um Erkenntnistheorie und Ontologie. Campbell hat das Kunststück geschafft, Philosophie auf die Bühnenbretter zu bringen, und zwar so, dass man lachend zum Denken gebracht wird, und sich, wenn man philosophiert, amüsiert. Auf dem schmalen Bühnenboden mit Schachbrettmuster im Herzogskasten und vor einer Tapete, die wie durch einen Zerrspiegel gekrümmt wirkt (Ausstattung: Nora Johanna Gromer), führen außer Römisch noch Teresa Trauth und Ulrich Kielhorn Campbells skurrile Gedankenexperimente durch. Und sie kommentieren das Geschehen gleichzeitig: Denn die kleinen Geschichten sind durch eine Rahmenhandlung lose verknüpft, durch die der Autor selbst und sein Alter Ego Mr. Pilk sowie eine Frau führen.

Während Römisch den stets überspannten Pilk darstellt, übernimmt Kielhorn den Autor Campbell und die etwas biederen, weniger irren Rollen, während Trauth dem Geschehen immer wieder eine deftige erotische Note verleiht. Regisseur Jens Poth jongliert mit den verschiedenen Sprachebenen, lässt die Akteure mal komisch chargieren und dann wieder völlig natürlich sprechen. Etwa beim Ausflug in die Welt des Balletts mit Trauth als mit den Beinen strampelnder sterbender Schwan und Römisch als verschmähter Liebhaber in theatralischer Pose. Das ist wirklich irre. Irre komisch.