Ilmmünster
Das Kreuz mit der Transparenz

Freie Wählergemeinschaft will mehr Ilmmünsterer bei den Sitzungen - aber die lassen sich nicht zwingen

09.12.2020 | Stand 12.12.2020, 3:33 Uhr

Ilmmünster - Hat der Gemeinderat von Ilmmünster bisher in abgedunkelten Hinterstübchen hinter vorgezogenen Gardinen vor sich hingemauschelt, damit ihm die Bürger bloß nicht auf die Finger schauen können?

Der Eindruck drängt sich auf, denn die Anträge der Freien Wählergemeinschaft (FWG), die auf der Gemeinderatssitzung am Dienstag behandelt wurden, suggerieren genau dies: Die FWG-Vertreter forderten in vier Antragspunkten mehr Bürgernähe und Transparenz - ganz so, als hätte es das bisher nicht gegeben.

"Meine Tür", erklärte Bürgermeister Georg Ott (CSU) dazu, "steht jedem offen. " Und Brigitte Wallner (CSU) meinte: "Es ist eine Unterstellung, dass sich hier niemand Mühe gibt. " Auch der CSU-Ortsvorsitzende Patrick Soffner konnte nur den Kopf schütteln. "Sie suchen hier", blaffte er FWG-Gemeinderat Norbert Ziegler an, "ein Podium, um sich zu präsentieren. Und sowas brauchen wir hier in Ilmmünster nicht. " Brigitte Drexler (SPD/Grüne) platzte gleich zu Beginn der Sitzung der Kragen: Eine Unverschämtheit sei das, meinte sie, um 14.01 Uhr habe sie ein 20-seitiges Papier für die Sitzung um 19 Uhr zugeschickt bekommen, raunzte sie FWG-Gemeinderat Norbert Ziegler an. "Ich bin zwar Rentnerin, aber die Zeit hab' ich so kurzfristig nicht. " Das Schreiben ging aufs Konto des selben Zieglers, der in einem Antrag monierte, dass in der Woche vor einer Gemeinderatssitzung keine Ausschusssitzung mehr stattfinden sollte, damit er ausreichend Zeit zur Vorbereitung habe.

Das Klima im Gemeinderat ist rau geworden. Die Zeiten, als der frühere CSU-Bürgermeister Toni Steinberger stolz darauf war, dass die Sitzungen ohne überflüssiges Gerede straff durchgezogen werden konnten ("bei uns sind wir in anderthalb Stunden durch") - vorbei. Vorbei auch die Zeiten, als der damalige SPD-Gemeinderat Jens Borggräfe, nach seiner Oppositionsrolle gefragt, erklären konnte: Auf kommunaler Ebene haben Parteifarben nichts verloren, da gehe es ausschließlich um die Sache. Jetzt sind in den Gemeinderat vier FWG-Newcomer eingezogen, die, so erklärte nach der Wahl im März der Vorsitzende Peter Beier, "frisches Blut reinbringen, da sind wir ziemlich stolz drauf".

Das frische Blut hatte sich in den Anträgen nach mehr Bürgernähe und Transparenz niedergeschlagen. Dazu muss man wissen, dass Gemeinderatssitzungen per se öffentlich sind. Zuhörer sind nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht. Allerdings: Die Teilnahme ist freiwillig, man kann niemanden zwingen, sich eine Gemeinderatssitzung anzutun. Aber immerhin: Am Dienstagabend hatten sich vier Ilmmünsterer an den Tagungsort, die Turnhalle der Grundschule, verlaufen. Dass es nicht mehr waren, liegt nach Meinung von Norbert Ziegler, Wortführer der FWG-Fraktion, an eben der mangelnden Transparenz und Bürgernähe. Die sähe er gegeben, wenn die Tagesordnung ausführlicher formuliert würde. Bürger könnten nicht erkennen, um welche Beratungsgegenstände es sich handelt. Bürgermeister Ott klärte auf, dass die Tagesordnung in erster Linie der Information des Gemeinderats diene; die Protokolle der öffentlichen Sitzungen würden im Mitteilungsblatt der Gemeinde und auf der Homepage bekanntgemacht.

Für die 14 Gemeinderäte hatte Ott vor der Sitzung große Heimat-Wandkalender als Weihnachtsgabe auf die Stühle legen lassen. Für Zuschauer drängte sich an dieser Stelle jedoch die Frage auf, ob die Bayerische Gemeindeordnung (BayGO) nicht sinnvoller gewesen wäre. Die ist zwar nicht dekorativ, hat weniger Bilder, ist sperriger zu lesen (wozu allerdings kein Gemeinderat gezwungen werden kann), aber sie ist informativer und würde FWG-Gemeinderäten den Antrag "auf Darlegung der Rechtsstellung und Aufgaben des Gemeinderats" ersparen. Ott zitierte hierbei direkt aus der BayGO. Und auch der dritte Antrag, die Sitzungen rechtzeitig öffentlich zu machen, erschien allgemein überflüssig, nachdem Ott dargelegt hatte, wo überall auf die Termine hingewiesen wird. Im Schaukasten vor dem Rathaus wünschte sich Ziegler eine ausführlichere Darlegung. Ob sich dann die Ilmmünsterer die Nase an der Scheibe plattdrücken würden, darf bezweifelt werden. Soffner meinte: "Das waren jetzt drei Themen für die Katz" - und erinnerte an eine Bürgerversammlung mit viel Vorbereitung und Präsentationen, auf der zwölf Gemeinderäte den Informationsdurst von ganzen fünf Bürgern stillten.

Mit 10:4 Stimmen wurde auch der FWG-Antrag nach einer Audio-Live-Übertragung der Sitzungen wie in Pfaffenhofen oder Reichertshausen abgelehnt: Zu aufwendig, zu teuer. Trotz Corona sei der Besuch einer Sitzung für die Bürger jederzeit möglich - tatsächlich blieb über ein Dutzend Stühle leer. Und die vier Besucher räumten nach zwei Stunden grußlos ihre Plätze - ohne weitere Anträge für die nächste Sitzung abwarten zu wollen.

PK