Augsburg
Das kleine Glück

Anspruchsvoll und spannend: "Das kalte Herz" als Familienstück am Theater Augsburg

19.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:24 Uhr

Im Mittelpunkt steht die Kraft der Geschichte: Szene mit Thomas Kitsche aus dem Kindertheaterstück „Das kalte Herz“ - Foto: Schölzel

Augsburg (DK) Was macht das Glück aus? Nicht das Geld in den Taschen, nicht die Gier nach Besitz, nicht das grenzenlose Vergnügen, nicht der mitleidlose Egoismus – also so ziemlich alles, was heute hoch im Kurs zu stehen scheint.

Das muss auch der Köhler Peter Munk in Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ , das in diesem Jahr das Familienstück am Theater Augsburg ist, einsehen. Regisseurin Bettina Rehm und Grit Dora von Zeschau (Bühne) signalisieren schon farblich, wo die Hoffnung für Peter tatsächlich liegt: Die Waldeinsamkeit des Köhlers ist nicht dunkel und schmutzig, sondern leuchtet hellgrün. Dagegen ist die Welt, in die er sich sehnt, das Reich des reichen Ezechiel und des Tanzbodenkönigs, eine schwarze, schmucklose Box. Später sind ihr einziger Schmuck die Kuckucksuhren, die als Zeichen für die Häuser, die Peter seinen Schuldnern abnimmt, an der Wand hängen.

Oft muss der erst rot bestrumpfte und später steingraue Peter durch den Wald, den Grit Dora von Zeschau eindrucksvoll mit stilisierten Bäumen als Urwald aufgebaut hat, irren, bis er zurück zu seinem Herz findet, das er für viel Geld verkauft hat und es mithilfe des glitzernden und klugen Glasmännleins dem angemessen böse hingestellten Holländer-Michel wieder abnimmt.

Passend zur minimalistischen, aber bilderstarken Bühne verzichtet Bettina Rehm auch sonst auf Klimbim und billige Effekte. Sie braucht kein wildes Gehampel und Getrampel, kein lautes Geschrei, keine Action und keine schnellen Schnitte. Sie vertraut auf die Kraft der Erzählung, den Spannungsbogen der Geschichte und die Schauspieler, die ihre Sache gut machen: Thomas Kitsche als Peter ebenso wie Edith Konrath als seine Mutter, Sarah Bonitz als seine Frau und Anton Koelbl und Martin Herrmann als Glasmännlein und Holländer-Michel sowie das restliche Ensemble.

So ist Bettina Rehm und ihrem Team eine Inszenierung gelungen, die sich den Kindern nicht anbiedert, die auf aufgesetzte Pädagogik verzichtet, die Kinder nicht unterschätzt, sondern fordert, die in einer Zeit, in der Erwachsene oft die Infantileren sind, die Kinder ernst nimmt. Nur ganz selten, beim Tanzduell zwischen Peter und dem Tanzbodenkönig oder Peters James-Bond-Vorstellung – „Ich heiße Munk. Peter Munk“ – gibt es milde Zugeständnisse an die Zeit.

Dazu kommt die live auf der Bühne gespielte Musik von Adrian Sieber. Auch sie alles andere als schrill und laut: Violine, Akkordeon, Tenorhorn, melancholisch und zeitlos. Das alles funktioniert offenbar bestens: Noch nie hat der Kritiker eine Kindertheater-Aufführung erlebt, bei der so angespannt-konzentrierte Ruhe herrschte wie bei der Premiere in Augsburg. Auch das kann schon zum kleinen Glück reichen.