"Das ist unser Generationen-Erbe"

Baumfällaktionen in Kelheimer Schutzgebieten nach Protest von Naturschützern gestoppt

02.03.2020 | Stand 23.09.2023, 10:59 Uhr
Einige der gefällten Bäume im Naturschutzgebiet Hirschberg/Altmühlleiten. −Foto: Stierstorfer, LBV

Kelheim - Der Donaudurchbruch bei Kelheim, die Weltenburger Enge, wurde vor knapp drei Wochen zum ersten Nationalen Naturmonument im Freistaat gekürt.

 

Damit werde das Tal unter besonderen Schutz gestellt, gaben Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) recht öffentlichkeitswirksam bekannt. Glauber bezeichnete die Weltenburger Enge dabei als herausragenden Ort und "Hotspot der Artenvielfalt". König Ludwig habe diese Besonderheit bereits 1840 erkannt und die Gegend zum Naturschutzgebiet gemacht, so der Minister.

Umso größer war die Verwunderung - oder besser gesagt Verärgerung - bei den Naturschützern, als jetzt bekannt wurde, dass der Forstbetrieb Kelheim im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten in den Wäldern um die Weltenburger Enge zahlreiche alte Buchen und Eichen gefällt hat. Und das von Dezember bis Februar. Weitere Fällaktionen soll es aber nicht geben, wie Staatsforsten-Chef Martin Neumeyer gestern mitteilte.

Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) berichtete gestern von "schwerem Gerät und Motorsägen", die in einigen Beständen der beiden Naturschutzgebiete Weltenburger Enge und Hirschberg/Altmühlleiten "wüteten" sowie von mehreren Hundert Meter langen Schneisen im Waldboden. LBV-Waldreferent Christian Stierstorfer und Kelheims ÖDP-Kreisrat und LBV-Kreisvorsitzender Peter-Michael Schmalz haben sich in den vergangenen Tagen mehrere der Flächen angesehen. "Da wurden Methusalem-Bäume gefällt, also Bäume, die auf Brusthöhe 80 Zentimeter Durchmesser haben", berichtete Schmalz fassungslos unserer Zeitung. "Auch wenn das rechtlich erlaubt ist - das ist unser Generationen-Erbe. "

Stierstorfer ist insbesondere darüber verärgert, dass neben dem Fällen der mächtigen Buchen auch starke Totholzstämme geschnitten wurden. "Das Fällen solcher für viele seltene Arten lebenswichtiger Biotop-Stämme würde man sogar in einem normalen Forst kritisieren, im Naturschutzgebiet aber ist das ein absolutes No-Go", meinte der Biologe. "Wir hätten kein Problem damit, wenn die forstlichen Eingriffe den Umbau von naturfernen Forsten hin zu Naturwäldern als zentrales Ziel hätten. Das hier aber ist ganz normale Holzernte mitten im Naturschutzgebiet. "

Eine ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft ist dem LBV zufolge zwar auch in Naturschutzgebieten erlaubt und daher das Fällen von Bäumen legal. Aber: "Das war nicht nötig", betonte LBV-Chef Norbert Schäffer. "Es geht nicht um ordnungsgemäße Forstwirtschaft - wir haben hier einen Sonderfall. Diese Holzernte mit all ihren negativen Folgen für die Natur in unmittelbarer Nachbarschaft zum neuen Nationalen Naturmonument und im Naturschutzgebiet ist inakzeptabel. "

Die Bayerischen Staatsforsten rechtfertigten sich gestern damit, dass in der vergangenen Woche das für die Aufsicht zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Abensberg die Fällungen begutachtet habe - mit dem Ergebnis, dass die Maßnahmen der fachlichen Praxis entsprechen würden. Es wurden "keinerlei Anhaltspunkte gefunden, die die genannten Vorwürfe stützen", hieß es.

Dennoch will Staatsforsten-Chef Neumeyer die kritisierte Holzernte nun unter die Lupe nehmen lassen; er ordnete einen Stopp aller Baumfällungen an. "Es müssen alle offenen Fragen geklärt werden, wie zum Beispiel, ob die Holzernte naturverträglich und maßvoll durchgeführt worden ist. " Die Fällungen sollen daher "gemeinsam von den Staatsforsten, den Naturschutzbehörden, der Forstverwaltung und unter wissenschaftlicher Begleitung untersucht und bewertet werden. " Neumeyer zufolge wurde sichergestellt, "dass für den Zeitraum der Untersuchung die gefällten Bäume unverändert am Boden bleiben, um sich ein objektives Bild machen zu können. " Dies begrüßt zwar auch der LBV. Schäffer bedauerte gestern jedoch, dass dafür erst ein öffentlicher Protest notwendig gewesen sei - "und der bereits entstandene Schaden nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. "

DK

 

 

Silvia Obster