"Das ist ein schmerzhafter Lerneffekt"

19.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:13 Uhr
  −Foto: Matthias Sandmann

Ingolstadt (DK) Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), spricht im Interview über die Festnahme von Audi-Chef Rupert Stadler, den Fall der VW-Aktie und die Rechte der Anleger.



Herr Hocker, die Anleger haben auf die Festnahme von Audi-Chef Rupert Stadler reagiert und die VW-Aktie in den Sinkflug geschickt. Wohin geht die Reise für die Aktie noch?

Ulrich Hocker: Das kann man nicht genau beantworten. Aber was man sagen kann, ist, dass es für die Anleger immens schädlich wäre, wenn nun auf diese Art und Weise herauskäme, dass Herr Stadler als Vorstandsmitglied der Volkswagen AG früher von den Diesel-Manipulationen wusste, obwohl er dies bisher immer bestritten hat.

Was bedeutet schädlich?

Hocker: Es sind eine Unmenge an Verfahren anhängig, die feststellen wollen, dass die sogenannte Ad-hoc-Meldung zu spät publiziert worden ist. Bisher hat der VW-Vorstand immer gesagt, man habe von der Diesel-Manipulation erst erfahren, als die ersten Untersuchungsergebnisse aus den USA kamen. Dann habe man den Kapitalmarkt sofort informiert. Wusste aber ein Vorstand vorher etwas von den Manipulationen, hat VW zu spät informiert.

Lässt sich beziffern, wie hoch der Schaden dadurch für VW bislang ist?

Hocker: Er ist bereits wegen Strafzahlungen und der Entschädigung der US-Autobesitzer milliardenschwer. Sollte die Ad-hoc-Meldung damals aber tatsächlich zu spät gekommen sein, wird es für VW wohl noch deutlich teurer. Die Aktien und weitere Wertpapiere sind aufgrund der Meldung in den Keller gegangen - und wenn der Vorstand dies früher hätte bekanntgeben müssen, bekommen all diejenigen Aktionäre und Wertpapierbesitzer einen Schadensersatz, die zu teuer gekauft hatten. Und dies würde sicherlich nochmal in die Milliarden gehen.

Welche Auswirkungen hat der Diesel-Skandal auf das Verhalten der Anleger?

Hocker: Sie sind seit der Finanzmarktkrise schon vorsichtiger geworden. Aber dass ein Unternehmen mit einer Reputation wie die Volkswagen AG letztendlich schuldhaft gehandelt hat, das ist ein schmerzhafter Lerneffekt.

Die Anleger lassen sich aber doch ziemlich viel gefallen.

Hocker: Sie haben Rechte, die sie durchaus bewusst wahrnehmen - etwa all die Anleger, die zurzeit in einem großen Sammelverfahren ihre Ansprüche geltend machen. Sollte hier schuldhaftes Verhalten seitens des Konzerns bewiesen werden, werden diese Anleger sich das sicher nicht gefallen lassen.

Wie könnten die Autobauer das Vertrauen zurückgewinnen?

Hocker: Indem sie das sagen, was wahr ist ist und dafür sorgen, dass es in Zukunft nicht mehr zu einem solchen Fehlverhalten kommen kann.

Dazu hatten sie eigentlich lange genug Zeit.

Hocker: Das ist richtig. Der Eindruck, dass immer nur dann etwas zugegeben wird, wenn es bereits öffentlich ist, zieht sich schon durch das ganze Verfahren. Nun muss wirklich reiner Tisch gemacht werden, sodass irgendwann die gesamte Wahrheit ans Licht kommt. Deswegen haben wir bei VW eine Sonderprüfung initiiert. Dabei soll ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer herausbekommen, wer wann etwas wusste. Die Einsetzung muss zwar noch rechtsgültig entschieden werden, wenn das aber durch ist, wird es der Wahrheitsfindung und den Ansprüchen von Tausenden Zivilklägern dienen.

Glauben Sie, die komplette Offenlegung gelingt dem VW-Konzern in absehbarer Zeit?

Hocker: Es wird gelingen müssen. Klar ist: Die Verfahren gehen immer weiter, die Staatsanwaltschaften untersuchen immer weiter. Und dass die Ermittlungsbehörden bereit sind, jetzt zu härteren Mitteln zu greifen, zeigt nicht zuletzt die gegen Herrn Stadler verhängte Untersuchungshaft.

Ulrich Hocker ist Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die etwa 30000 Mitglieder hat. Die Fragen stellte Sandra Mönius, Foto: DSW.