Das Hygienepaket aus Brüssel

14.05.2009 | Stand 03.12.2020, 4:57 Uhr

Begehrtes Zertifikat: Die Schweinehälften, die im Keller des Metzgermeister Joseph Huber in Hundszell hängen, tragen den Stempel des Europa-Schlachthofes Ingolstadt. Auch Huber hat diese EU-Zulassung. - Foto: Herbert

Ingolstadt (DK) Eine Metzgerei war früher fast schon eine Goldgrube, doch heute finden manche Betriebe keinen Nachfolger mehr. In Ingolstadt geben demnächst vier Traditionsunternehmen auf. Zusätzlicher Druck kommt mit neuen EU-Vorschriften, die ab Jahresende gelten.

Bayerische Wurst- und Fleischspezialitäten sind in Italien sehr beliebt. "Unsere Produkte gehen richtig gut", berichtet der Ingolstädter Metzgermeister Joseph Huber, der seit 2007 das alljährliche Bierfest in Carrara beliefert. "Darauf sind wir sehr stolz." Allerdings musste der 40-jährige Unternehmer zunächst eine Menge Zeit und Geld in diesen Erfolg investieren, denn für den Export ist eine EU-Zulassung nötig. "Das Zertifikat hat mich ein halbes Jahr fast Tag und Nacht beschäftigt", erinnert sich Huber, dessen Familienbetrieb in Hundszell vor zwei Jahren als einer der ersten Metzgereien die begehrte Urkunde von der Regierung von Oberbayern erhielt.

Die EU-Zulassung ist jedoch nicht auf exportierende Betriebe beschränkt, sondern gilt als Teil des Hygienepakets aus Brüssel im Grunde für alle Metzgereien. "Das wissen manche nur noch nicht", sagt Rolf Anger, der Experte von der Landesinnung in Augsburg. Denn im Kern beziehen sich die neuen Vorschriften auf Betriebe, die selbst schlachten, Fleisch zerlegen und verarbeiten oder bei denen mehr als ein Drittel der Herstellungsmenge außer Haus geht. Aber auch die anderen Metzgereien müssen künftig ihren Betriebsprozess minutiös dokumentieren. "Das dient nicht zuletzt der Absicherung gegen ungerechtfertigte Ansprüche", erläutert Anger, der einerseits "große Ängste" bei seinen Mitgliedern ausmacht. Andererseits habe sich die Zahl der Anträge und Zulassungen seit März erheblich erhöht, weil die vierjährige Übergangsfrist heuer endet.

Für Metzger Joseph Huber ist das Zertifikat eine sinnvolle Maßnahme. "Ich bin ein Freund der Zulassung", betont der Ingolstädter, der 30 Frauen und Männer beschäftigt. Um die Vorschriften zu erfüllen, hat er den Produktionsprozess und potentiellen Gefahrenquellen in seinem Betrieb bis ins kleinste Detail analysiert und optimiert. "Sich kreuzende Wege im Betrieb zum Beispiel sind ein K.O.-Kriterium", schildert Huber, wie etwa der Gang des geschlachteten Tiers durch die Räume genau definiert wurde. Augenfällig ist auch die moderne, vollautomatische Desinfektionsschleuse, die jeder Mitarbeiter oder Besucher passieren muss. Die meisten Kontrollen und Arbeitsabläufe haben sich jedoch nicht verändert, müssen heute aber penibel protokolliert werden. "Die Mitarbeiter müssen alles unterschreiben", stellt der Metzgermeister klar.

Nachdem die EU-Zulassung in den vergangenen Jahren deutlich liberalisiert und vereinfacht wurde, ist sich Joseph Huber sicher, dass das Zertifikat "für viele Betriebe machbar ist". Rolf Anger weiß aber auch, dass das Zertifikat der letzte Anlass für das Aus sei kann. "Die wirtschaftliche Situation in manchen Betrieben ist nicht gut", klagt der Verbandsvertreter und warnt vor weitreichenden Auswirkungen. "Wenn der Metzger schließt, geht oft die Regionalität am Ort verloren", warnt Anger.