Herr
"Das hört sich schon anders an"

Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der türkischen Gemeinde in Deutschland, begrüßt den Schwenk der CSU

08.12.2014 | Stand 02.12.2020, 21:53 Uhr

Herr Sofuoglu, die CSU entschärft ihren Deutsch-Vorstoß. „Wer dauerhaft hier leben will, soll motiviert werden, im täglichen Leben deutsch zu sprechen“, so die neue Forderung. Sind Sie damit zufrieden?

Gökay Sofuoglu: Das hört sich schon anders an. Innerhalb der CSU haben viele die Forderung, dass auch zu Hause in der Familie unbedingt deutsch gesprochen werden soll, als absurd und falsch zurückgewiesen. Dass die Partei jetzt versucht, sie abzuschwächen und so die Wogen zu glätten, ist nachvollziehbar. Manche Forderungen werden erst einmal in sehr radikaler Form zur Debatte gestellt und dann wird abgewartet, wie die Öffentlichkeit darauf reagiert. Wir fanden die ersten Formulierungen der CSU menschenfeindlich und verfassungswidrig. Der Staat darf sich nicht einmischen und vorschreiben, welche Sprache zu Hause am Küchentisch gesprochen werden soll.

Gibt es aus Ihrer Sicht kein Problem mit Sprachkenntnissen von Migranten und ihren Familien?

Sofuoglu: Die CSU hat das richtige Thema aufgerufen: Ja, es gibt ein Problem beim Erlernen und beim Gebrauch der deutschen Sprache. Viele Migranten haben da noch große Defizite. Es ändert sich aber von Generation zu Generation. Mit Motivation und gezielter Sprachförderung lässt sich eine Menge erreichen. Natürlich sollen alle die deutsche Sprache erlernen und nach Möglichkeit so oft wie möglich benutzen. Aber das kann man nicht erreichen, indem man verbietet, dass zu Hause die Muttersprache gesprochen wird.

Werden die sprachlichen Defizite von Migranten nicht allzu oft beschönigt?

Sofuoglu: Nein. Ich habe gerade eine Studie des Integrationsministeriums in Baden-Württemberg gelesen. Diese Daten zeigen, dass sich die erste, zweite und dritte Migrantengeneration in ihren Sprachfähigkeiten fundamental voneinander unterscheiden. Bei den Jüngeren ist Deutsch die dominierende Sprache und wird auch sehr gut gesprochen, in der ersten Generation kaum. Defizite im sprachlichen Bereich sind inzwischen leider ein sehr verbreitetes Phänomen: Auch deutsche Kinder können heutzutage oft nicht richtig deutsch sprechen und schreiben.

Reicht die bestehende Sprachförderung für Migranten und ihre Kinder aus?

Sofuoglu: Es kommt darauf an, wie gut die Kindergärten sind. Entscheidend ist, dass es genügend Erzieherinnen und Erzieher mit interkulturellen Kompetenzen und einem entsprechenden Ausbildungshintergrund gibt. Das ist leider oft nicht der Fall. Sprachförderung steht in den Kindergärten heute leider oft nicht an erster Stelle.

Gökay Sofuoglu wurde 1962 in der Türkei geboren, seit 1980 lebt er in Deutschland. Im Frühjahr dieses Jahres wurde der Sozialpädagoge zum Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland gewählt. Die Organisation versteht sich als Interessenvertretung türkischstämmiger Deutscher und in Deutschland lebender Türken. Mit Sofuoglu sprach unser Berliner Korrespondent Rasmus Buchsteiner.