Leipzig
Das Gerüst steht

Vor der EM setzt Bundestrainer Löw weitgehend auf seinen Stamm von 2010

01.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Leipzig (DK) Bundestrainer Joachim Löw gibt sich nach dem trüben Kick gegen Israel (2:0) betont entspannt. Beim letzten Vorbereitungsspiel vor der EM wurde aber ersichtlich: Löw setzt auf einen Stamm von Spielern, die bei der WM 2010 überzeugten. Das Vertrauen ist dabei groß – das Risiko ebenfalls.

Joachim Löw setzte sich allein vor die Presse, draußen regnete es gewaltig, der letzte Test nach dreiwöchiger Vorbereitung war bewältigt, ein freies Wochenende stand vor der Tür. Kurzum: Es herrschte Aufbruchstimmung in Leipzig. „Der Harald ist wohl am Büffet hängen geblieben“, witzelte Löw, weil von DFB-Mediendirektor Harald Stenger keine Spur blieb. „Also fangen wir an“, sagte der Bundestrainer, „es wird sie interessieren, was ich zum Spiel zu sagen habe.“ Löw grinste, er hatte Spaß, das Ganze war ein Ausdruck seines immensen Selbstvertrauens, das auch der mäßige Auftritt beim 2:0 der deutschen Elf im letzten Testspiel vor der Europameisterschaft gegen Israel nicht erschüttern konnte. „Ich bin nicht vollends zufrieden, aber auch nicht in Sorge“, verriet der Bundestrainer. Sondern der Mann sieht sich „im Gleichgewicht. Ich kann die Dinge einordnen.“ Man darf sich bei dieser Nationalelf durchaus mal fragen, warum sie sich überhaupt noch diesen Testspielen hingibt, die wie jenes in Leipzig von geringem Wert sind. Das Spiel plätschert dahin, das Team wird kaum gefordert, und nachher heißt es: War nur ein Test, ohne Bedeutung, immer schön locker bleiben, bald ist EM, dann ist alles anders! Löw, das ist der Eindruck, setzt die Akzente im Training, plant einzig auf den EM-Start am 9. Juni gegen Portugal hin. So verriet der 52-Jährige, das freie Wochenende bis Montag nicht mit lustvoller Freizeitgestaltung zu füllen. „Die Spieler müssen was machen, und ich werde mich auch hinsetzen und noch einmal intensiv planen“, sagte Löw. „Wir haben jetzt eine ganz wichtige Trainingswoche vor uns.“ Die Zeit der Testspiele ist vorbei, tatsächlich ging diesem Wettkampftypen Löw das vergangene halbe Jahr auf die Nerven. „Wir haben seit Januar fast nur Testspiele“, sagte er. „Es wird Zeit, dass es losgeht.“

Bei allem Vertrauen in die eigene Kraft ist zwischen empfundener Stärke und tatsächlicher Form der Grat schmal – und die Fallhöhe groß. Was, wenn die deutsche Elf bei der EM in ihre Bestandteile zerfällt? In genervte Bayern, deren Titellust nur noch als Witz Wert hat. In enttäuschte Dortmunder, die weichen müssen, sobald (verspätete) Bayern anrücken. Und in Madrilenen und „Restdeutsche“, die zwischen diesen Fronten zerrieben werden? Das Risiko bleibt, und es gibt Baustellen im Team, die das untermauern: Ob etwa Toni Kroos den seit gestern erstmals schmerzfreien Bastian Schweinsteiger ersetzen könnte? „Gegen Portugal spielen nur schmerzfreie und fitte Spieler“, befand Löw unmissverständlich. Kroos mühte sich, war aber fehlerhaft und zusammen mit den fahrigen Müllers und Podolskis und dem noch arg zurückhaltenden Özil kein Mittelfeld eines Topfavoriten. Aber – Totschlagargument – wird schon.

Wird es schon? Zumindest ist das Vertrauen in den Kader gestiegen. Sieben Bayern in der Anfangself, die laut Löw ihre schmachvollen jüngsten Wochen hinter sich gelassen haben. „Das war kaum noch Thema“, sagte Löw. Der Bundestrainer zählt auf diesen Block, so tickt er, sein WM-Team aus Südafrika soll bei dieser EM zur Reife geführt werden. Dass Lahm auf der linken Seite bleibt, wird Löw Anfang der Woche entscheiden. Er nennt die Entscheidung offen, sie ist es aber nicht, weil dem Bundestrainer das Vertrauen in Linksverteidiger Marcel Schmelzer fehlt – und Jerome Boateng einen durchaus engagierten Eindruck gegen die Israelis machte, die sich als netter letzter Testpartner erwiesen. „Ich habe dem Bundestrainer versprochen, dass sich kein Deutscher verletzt“, sagte Israels Trainer Eli Gutman. „Viel Glück bei der Europameisterschaft.“ Das war nett. Aber Glück ist gewiss keine Komponente, auf die sich Löw verlassen will.