Das Geheimnis der weißen Frauen

29.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:22 Uhr
Am Weiher von Schenkenau sollen nachts früher gleich acht weiße Jungfrauen unterwegs gewesen sein. Das Schenkenauer Schloss ist längst abgebrochen, doch die einstige Schlosskapelle steht noch. −Foto: W. Hailer

Mythen, Märchen und Legenden - unsere Region ist voll davon. Auch weiße Frauen sollen sich einst vielerorts gezeigt haben, etwa in Schenkenau bei Hohenwart. Um sie geht es in der heutigen Folge unserer Sommerserie "sagenhaft".

Man nannte sie die "acht weißen Jungfrauen von Schenkenau". Schneeweiß gekleidet kamen sie einen Monat lang um Mitternacht zum Schloss Schenkenau im Paartal zwischen Waidhofen und Hohenwart. Auf ihren prächtigen Schimmeln ritten sie um den Weiher herum, stiegen ab, wuschen sich im moorigen Wasser. Mit ihren langen Haaren trockneten sie sich ab. Ein neugieriger junger Mann soll sie einmal beobachtet haben. Dann kehrten sie nie mehr zurück. Das Schenkenauer Schloss ist längst verschwunden. Es soll abgebrochen worden sein, weil man darin einen kostbaren Schatz vermutete. Gefunden hat man ihn allerdings nie.

Weiße Jungfrauen sollen sich gerne in der Nähe alter Wasserburgen, Turmhügel, keltischer Gräber und heidnischer Tempel gezeigt haben. In Gosseltshausen bei Wolnzach gab es laut einigen Lokalhistorikern einen solchen Tempel. Man erzählte sich, dass ein langer Zug weiß gekleideter Jungfrauen immer um Mitternacht ganz langsam von der nahen Egelseekapelle zur Kirche nach Gosseltshausen gezogen sei. Die wunderlichen Gestalten seien dort über die Friedhofsmauer gestiegen, um dann wieder im Dunkel der Nacht zu verschwinden.

Oft künden weiße Frauen von Unheil, bewachen Schätze oder suchen Erlösung, die ihnen wegen schlimmer Taten versagt geblieben ist. Im Schloss Bertoldsheim wandelte nach mündlicher Überlieferung eine Frau mit einem langen weißen Kleid und einem Schleier durch die Gänge. Dabei zeigte sie auf die Ziffern einer Uhr. Genau zu der Zeit, auf die sie wies, starb Tage später ein Mitglied der gräflichen Familie.

Zu Herzen geht die Geschichte, die sich in einem Wald bei Rohr in Niederbayern zugetragen haben soll. Es war im Jahre 1651. Zwei Geschwister gingen im Wald spazieren. Am Baum lehnte ein Mädchen im weißen Kleid, das bitterlich weinte. "Warum weinst du gar so?", fragten die Geschwister. Das fremde Mädchen sah sie traurig an und sprach, langsam und bedächtig, folgende drei Worte "Der schwarze Tod". Dann verschwand es im tiefen Wald. Bald darauf brach in Rohr die Pest aus.

Nicht weit davon zeigte sich ebenfalls eine sonderbare junge Frau. Sie war ungewöhnlich schön. Ihr Kleid war schneeweiß. Im Arm trug sie ein Kind. Sie weinte bitterlich. In Niederhornbach bei Pfeffenhausen erschien sie einem Bauern immer dann, wenn dieser seine Kühe melken wollte. Schließlich ließ er für die junge Frau eine heilige Messe lesen. Darauf wurde sie nie mehr gesehen. War sie eine Kindsmörderin? Unerlöst blieb auch die Seele der weißen Frau vom Gögerl bei Weilheim. Hier stand einst eine Befestigungsanlage. Eine Burgherrin war, so erzählt man, besonders grausam. Auf Bettler hetzte sie scharfe Hunde, die die Armen dann zerfleischten. Nach einer anderen Version soll sie ihre blinde Schwester um ihr Erbe betrogen haben. Als Gespenst geht sie seitdem angeblich um.

Wann wird die Gräfin von Pörnbach Erlösung finden? Ziellos zieht sie ganz in Weiß nachts in den Wäldern umher. Sie hatte sich, während ihr Mann im Krieg weilte, mit einem schwedischen Hauptmann eingelassen. Die Beziehung blieb nicht folgenlos: Die Gräfin gebar ein Kind. Als ihr Mann nach Jahren zurückkehrte und das Schloss betreten wollte, warf sie das Kind ins Feuer. Im Pörnbacher Schloss soll es heute noch spuken.

Motive wie Liebe, Tod und Kinder faszinieren immer. Es sind Motive, die oft mit der "weißen Frau" in Verbindung gebracht werden. Die Farbe Weiß steht eigentlich für Unschuld, Reinheit, Licht und Erlösung, in östlichen Kulturkreisen aber auch für Trauer und Tod. Weiß ist die Farbe des Leichenhemds. Das mag erklären, dass Kindsmörderinnen stets im weißen Kleid "umgehen".

Die erste weiße Frau, die man in Bayern zu sehen glaubte, lebte als Adelige auf der Plassenburg über Kulmbach. Der Mann der Burgherrin Kunigunde von Orlamünde war gestorben. Bald schon verliebte sich die begehrenswerte Frau in Albrecht den Schönen, einen Nürnberger Burggrafen. Ihr Liebeswerben war vergeblich: Albrecht sprach von vier Augen, die eine Beziehung verhinderten. Der Graf meinte damit seine Eltern, die Witwe aber glaubte, ihre Kinder - zwei und drei Jahre alt - stünden einer Heirat im Wege. Im Liebeswahn tötete sie die Kinder, indem sie ihnen eine Nadel in den Kopf stieß. Albrecht wandte sich entsetzt von ihr ab. Kunigunde pilgerte nach Rom. Dort versprach ihr der Papst Vergebung, wenn sie ein Kloster gründen würde. Sie stiftete das Kloster Himmelkron und trat dort als Nonne ein, die stets weiß gekleidet war.

Als Gespenst soll Kunigunde in mehreren fränkischen Schlössern durch Gemächer schweben. Im Rittersaal zu Schloss Hoheneck bei Ipsheim an der Aisch sei, so sagt man, bei Vollmond nur der Rahmen ihres Porträts zu sehen gewesen sein und in Bayreuth soll sie Napoleon gehörig Angst eingejagt haben. Er verließ die Stadt mit den Worten: "Dieses verfluchte Schloss."

Auch auf der Burg Weißenstein bei Regen geisterte eine weiße Frau herum. Sie wollte ihre sieben Knaben ertränken. Ihr Mann kehrte gerade noch rechtzeitig aus dem Krieg zurück. Er rettete die Jungen und brachte sie ins Kloster Rinchnach. Er lud seine Söhne, die herangewachsen waren, zu einem Fest auf die Burg. Dabei fragte er seine Gemahlin, was einer Frau auferlegt werden soll, die solche Jungen töten wolle. Die Frau erkannte ihre Söhne nicht. Ihre Antwort: "So eine gehört lebendig eingemauert." Genau dies tat der Burgherr mit seiner Frau, die nun in Weißenstein spuken soll.

Manche sind sich ganz sicher: Die weiße Frau vom Ebersberger Forst lebt. Sie soll sich nahe der Hubertuskapelle zeigen. Um 1940, so heißt es, wurde dort eine Frau überfahren. Der Fahrer floh und ließ sie sterbend zurück. Nun soll die Frau im weißen Gewand auf der Staatsstraße, die mitten durch den Ebersberger Forst führt, Autofahrer bitten, mitfahren zu dürfen. Wer sie einsteigen lässt, habe nichts zu befürchten. Wer ihr aber die Mitfahrt verweigere, werde bitter bestraft: Sie erscheine dann plötzlich auf dem Rücksitz und greife nach dem Lenkrad. Ein für den Fahrer tödlicher Unfall sei die Folge.

Niemand weiß, weshalb die weiß gekleidete Frau auf dem Uhlberg bei Treuchtlingen herumspukt. Auf ihm steht eine Kapellenruine. Manch zweifelhafte Gestalten treiben dort nach Einbruch der Dunkelheit ihr Unwesen. Oft sind es Satansjünger, die Spuren hinterlassen: umgedrehte Kreuze, schwarze Kerzen, Blut an den Wänden. Auch Tiere sollen dort schon geopfert worden sein. Bei Vollmond schleicht, so hört man, eine weiße Frau durch die Ruinen des Uhlbergs. War sie eine ehemalige Nonne? Im frühen 18. Jahrhundert sollen sich hier Mitglieder einer merkwürdigen evangelischen Sekte getroffen haben. Tag für Tag gehen heute Förster über den Uhlberg. Eine weiße Frau hat noch keiner von ihnen gesehen...

Reinhard Haiplik