Pfaffenhofen
Das falsche Stadtwappen

Beim Hoheitszeichen am Pfaffenhofener Rathaus nahm es der Stuckateur damals nicht so genau

22.02.2019 | Stand 23.09.2023, 6:02 Uhr
Wer findet die Fehler? −Foto: Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Tag ein, Tag aus gehen Bürger ein und aus im historischen Pfaffenhofener Rathaus an der Kopfseite des Hauptplatzes. Über der zweiflügeligen Holzpforte prangt der Schriftzug "Stadt-Magistrat Pfaffenhofen" und unter einem Mauerkrönchen aus Stuck das Wappen der Stadt. Oder etwa doch nicht? Erst auf den zweiten Blick zeigt sich: Das Wappen weicht in entscheidenden Details vom eigentlichen Stadtwappen ab.

Der Stadt wurde 1812 ein altes Symbol der Wittelsbacher, also der ursprünglichen Grafen von Scheyern, verliehen: "ein kräftig blauer Schild mit drei goldenen Sparren" heißt es in der damaligen Beschreibung des neuen Stadtwappens. Drei Sparren bezeichnen den markanten Zickzackbalken des Stadtwappens. Doch statt drei Zacken prangen an der Rathausfassade vier oder fünf - je nach Zählweise. Und eigentlich zeigt das goldene Heroldsbild gar keinen Zickzackbalken, sondern ein Band aus überlappenden Rauten: Die Spitzen an Ober- und Unterseite des goldenen Balkens wechseln sich nicht ab, sondern stehen sich jeweils gegenüber. Da fällt es schon gar nicht mehr ins Gewicht, dass bei der Tinktur auch ein Fehler passiert ist: In der Heraldik geht mit bestimmten Farben auch eine bestimmte Schraffur einher. Und dabei stehen Querlinien für blau und Punkte für Gold. So weit so richtig. Die Sparren des Stuckwappens sind zum Teil aber auch senkrecht liniert - was eigentlich für die Farbe Rot steht.

Die Gründe für die Abweichungen sind allerdings unbekannt - genauso wie die genaue Entstehungszeit der Stuckarbeit. Reicht sie über 150 Jahre zurück in die Bauzeit des Rathauses, das 1868 errichtet wurde? Wurde es später angebracht, womöglich erst im 20. Jahrhundert ? Nachweisbar ist das falsche Wappen allerdings bereits auf historischen Fotografien aus dem Jahr 1930.

Und woher rührt nun das falsche Wappen? War es die Schludrigkeit eines Stuckateurs? Oder doch eine Botschaft angesichts der politischen Dimension, die die Wappeneinführung 1812 hatte?

Die Antwort kennen auch ausgewiesene Pfaffenhofenkenner und Heimatforscher nicht. "Es ist mir völlig unerklärlich", sagt zum Beispiel Altbürgermeister und Stadtführer Hans Prechter. "Vermutlich ist das ohne jeden heraldischen Hintergrund", mutmaßt er. "Aber das wird vermutlich ungeklärt bleiben." Auch die Heimatforscher Reinhard Haiplik und Frieder Leipold müssen passen. "An Wappen ist immer wieder etwas geändert worden", weiß Stadtarchivar Andreas Sauer. Doch das Pfaffenhofener war eigentlich schon 50 Jahre vor der Erbauung des Rathauses durch eine Veröffentlichung im Regierungsblatt genau festgelegt.

Zuvor war das Wappen der Stadt der namensgebende Pfaffe: Ein Geistlicher mit Birett, erhobener Segenshand und Buch. Dieses Wappen findet sich beispielsweise auf den Burgfriedensteinen aus dem 17. Jahrhundert, die vor zwei Jahren erst restauriert wurden. Der Geistliche wurde allerdings 182 aus der Symbolik gestrichen, als das aktuelle Wappen von König Max I. verliehen wurde - um die Treue der Pfaffenhofener in den jüngsten Kriegsjahren zu würdigen. Wie in einer Veröffentlichung von Historiker Andreas Sauer nachzulesen ist, rührte das damals von kirchenkritischem Zeitgeist und ideologischen Winkelzügen her - angeführt von einer Pfaffenhofener Bürgerwehr um Hauptmann Johann Maurer. Das blau-goldene Hoheitszeichen der Wittelsbacher wurde von der sogenannten "Nationalgarde III. Klasse" zum angeblich ursprünglichen Stadtwappen umgedeutet - angeblich sei es 1170 vom Pfalzgrafen Otto dem Großen bei einem Hoflager in Pfaffenhofen verliehen worden, wie damals Landrichter Reingruber bei einer pompösen Übergabezeremonie verkündete. Der Pfaffe sei den Pfaffenhofenern nur "aus heiliger Schwärmerei" von den Scheyrer Mönchen untergeschoben worden. Aus Sicht der Kirche war die damalige Wappenverleihung natürlich eine Provokation.

Und wie Historiker Sauer berichtet, war es nicht das einzige Mal, dass fragwürdige Politik mit dem Wappen gemacht wurde: Unter den Nationalsozialisten wurden die drei Scharren ideologisch gedeutet und überhöht. Der damalige Bürgermeister und glühende Nationalsozialist Otto Bauers schrieb 1939: "Das Wappen ... hat hohe weltanschauliche Bedeutung. Der blaue Grund versinnbildlicht das Weltall. Die drei Zacken bedeuten das ewige Gesetz des Kommens, Seins, Vergehens. Das Gold ist der Glanz der Sonne, die lebensspendend ewig durch das Welt-All ihre Bahnen zieht." Aber diese völlig aus der Luft gegriffene Deutung des Wappens hat sich mit dem Untergang des nationalsozialistischen Regimes im Jahr 1945 erledigt.

Heute übrigens ist das offiziell verwendete Wappen genau so, wie es 1812 verliehen wurde. Die Stadt verzichtet nämlich seit einigen Jahren auf Schmuckwerke wie Mauerkrone, Türmchen und Ornamente. Denn diese waren im 19. Jahrhundert wohl nur eine Mode in Anlehnung an den damaligen Bündnispartner Frankreich.

Michael Kraus