Ingolstadt
Das etwas andere Zeltlager

Gemeinsam Herbergen bauen und keine Handys: Junge Christen aus Marbach campieren am Baggersee

29.08.2018 | Stand 23.09.2023, 3:56 Uhr
Eine Gruppe aus sieben Mädchen und eine aus sieben Jungen bilden zusammen eine von drei Zeltfamilien, die auch räumlich ihr Lager nebeneinander haben. Jede Gruppe hat eigene Aufgaben wie Planen, Kochen, Bauen oder Feuer machen zu erledigen. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Seit Jahren bieten das Evangelische Jugendwerk und die Christliche Vereinigung junger Menschen (CVJM) aus dem Dekanat Marbach ein zweiwöchiges Sommerlager für Mädchen und Jungen zwischen 13 und 17 Jahren. Der Standort wechselt jährlich. Heuer haben sich die Schwaben für den Zeltplatz des Stadtjugendrings am Ingolstädter Baggersee entschieden. Neben Spielen, Freizeit und christlichen Themen soll den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, eigenständig und kreativ zu handeln sowie neue Fähigkeiten zu erlernen.

Auf dem Zeltplatz im Naherholungsgebiet herrscht reger Betrieb. Es ist gerade Mittagszeit. Überall laufen gut gelaunte Menschen über das ein Hektar große Grundstück. Vor einer Holzhütte am Eingang wird fleißig Gemüse geschnitten. Daneben sitzen einige Mädchen und Jungen auf einer Bank um eine Feuerstelle herum. Sie unterhalten sich angeregt. Auf der hinteren Seite des Geländes trägt eine Gruppe aus Jugendlichen und Betreuern ein Fußballspiel aus. Wieder andere bauen einen Mülleimer aus Holz - als Ergänzung zur Inneneinrichtung ihres Zeltes. Ein gewöhnlicher Tag im Sommerlager (SOLA) nimmt seinen Lauf. Gerade steht freie Beschäftigung auf der Agenda. Am Nachmittag werden alle zusammen ein großes Floß bauen.

Seit Mitte vergangener Woche hat die Gruppe aus 39 Jugendlichen und 21 Mitarbeitern auf dem Zeltplatz des Stadtjugendrings am Baggersee ihr Lager aufgeschlagen. Die meisten Teilnehmer sind aus der Marbacher Umgebung, aber auch von weiter weg, wie die junge Französin Amy, die über eine Brieffreundin aus Stuttgart auf das Angebot aufmerksam geworden ist.

Die Jugendlichen werden von Anfang an in Gruppen mit jeweils zwei Betreuern als Leiter eingeteilt. Eine Gruppe aus sieben Mädchen und eine aus sieben Jungen bilden zusammen eine von drei Zeltfamilien, die auch räumlich ihr Lager nebeneinander haben. Jede Gruppe hat eigene Aufgaben wie Planen, Kochen, Bauen oder Feuer machen zu erledigen. Sie bekommt dafür eine eigene Werkzeug- und Kochkiste. Außerdem wird in den Gruppen über christliche Inhalte gesprochen.

Die Teilnehmer verbringen zwar einen Großteil der Zeit auf dem Zeltplatz, das ganze Programm beginnt aber schon einige Tage früher. Das SOLA verläuft jedes Jahr nach einem bestimmten Muster: Nach einer eintägigen Einführung werden alle Gruppen gut 50 Kilometer vom Ankunftsort entfernt abgesetzt. Sternförmig um das Ziel verteilt, starten die Gruppen. Dieses Jahr beginnen die dreitägigen Märsche zum Ingolstädter Zeltplatz in Rain, Pappenheim und Kinding. Interessant ist außerdem, dass keiner der Teilnehmer für die zwei Wochen dauernde Freizeit ein Handy dabei hat. Google Maps ist hier also keine Hilfe. Auf ihrem Weg treffen sie am Mittag des zweiten Tages auf ihre Zeltfamilie. Übernachtet wird in dieser Zeit unter freiem Himmel in einem provisorischen Lager. Die Versorgung findet vom Zeltplatz aus statt.

In diesen Tagen muss zum ersten Mal als Team zusammengearbeitet werden. Die Teilnehmer lernen, das Beste aus jeder Situation zu machen. Andreas Niepagen, Bezirksjugendreferent aus Marbach und Leiter des SOLA, betont: "Wir wollen mit den Jugendlichen unterwegs sein, aber nicht alles für sie regeln." Gerade diese Erfolge seien wichtig für die jungen Leute. "Es zeigen sich große Unterschiede. Jeder hat verschiedene Stärken wie Bauen, Feuer machen oder auch Gitarre spielen, die mit der Zeit alle gefragt sind."

Wessen Stärken also nicht in der Navigation liegen, der wird nach der Ankunft im Zeltlager gebraucht. Da folgt nämlich der zweitägige Aufbau des Lagers. Ohne Schrauben, höchstens mit Nägeln, aber hauptsächlich mit Seilen verbunden wird die Konstruktion aus Holz und Planen errichtet. Jede Familie kann ihre zwei Zeltgruppen beliebig anordnen und sich die Einrichtung nach eigenen Wünschen zusammenbauen. Das Material aus Holz wurde davor vom Veranstalter zum Zeltplatz geschafft.

Die zwei Wochen seien für alle eine Herausforderung, erzählt Andreas Niepagen, und jeder müsse seine Ansprüche herunterschrauben. "Jedes Jahr ist verschieden. Es gibt immer Überraschungsmomente für Teilnehmer und Mitarbeiter." Das Team besteht neben den Betreuern der Gruppen aus Köchen und weiteren Spezialisten auf verschiedenen Gebieten. Unter anderem waren schon Werkzeugmacher, Schreiner und Schlosser Teil des Teams, die ihr Wissen an die Jugendlichen weitergaben. Einer dieser Techniker ist Andreas (45), genannt Panda. "Alles ist immer anders, obwohl das Lager ja eigentlich jedes Jahr das gleiche ist. Man muss sich aber immer erst an den Platz anpassen." Die Geschichte, wie er zu seinem Spitznamen kam, bleibt übrigens geheim. Das sorgt bei den Jugendlichen immer wieder für Rätselraten.

Auch wenn in dem Lager bewusst kein Lebensstandard wie zu Hause geboten wird, finden alle das Konzept super. Auch die Mitarbeiterin Miri (20) ist seit ihrem ersten Lager, an dem sie noch als Jugendliche teilgenommen hat, begeistert: "Die krasse Gemeinschaft ist etwas ganz Besonderes! Egal, was ansteht, alle helfen zusammen und unterstützen sich gegenseitig."

Die so genannte Niedrigpreis-freizeit (sie kostet 309 Euro pro Teilnehmer) soll allen ein anspruchsvolles Programm bieten. Ziel ist es, den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben Dinge auszuprobieren und Fähigkeiten zu erlernen. Für Michi und Leander (beide 15), die beide zum zweiten Mal dabei sind, sei das Bauen mit das Beste am Sommerlager, erzählen sie. Selbst anpacken, Häuser bauen und in der Gruppe oder mit den Mitarbeitern etwas unternehmen, mache den Reiz aus.

Hanna (17), Rebekka (17) und Jan (15) waren alle drei im vorigen Jahr schon dabei und empfanden die Zeit als etwas ganz Besonderes. Für sie sei es vor allem der Mix aus Christlichem, Sport und Freizeit sowie das gemeinsame Bauen, was dieses Lager so einzigartig mache. "Hier entstehen Freundschaften, die auch danach noch weiter bestehen", erzählen sie.

Nach einem Tag Abbau wird die Gruppe am kommenden Wochenende wieder den Heimweg antreten. Für Andreas Niepagen ist es immer eine spezielle Zeit im Jahr. "Die Sommerfreizeit verlangsamt. Man hat keine Uhr und muss sich um sonst nichts kümmern. Man ist in der Natur anders unterwegs. Es beruhigt und nervt mich nicht. Man kann unwichtige Dinge einfach außen vor lassen."

Vincent Gaul