"Das Entscheidende ist, Transparenz zu schaffen"

21.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:55 Uhr
Andreas Anschütz. −Foto: Foto: Michael Schuhmann

"Das Entscheidende ist, Transparenz zu schaffen"

 Andreas Anschütz vergleicht bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern ausländische und deutsche Berufsabschlüsse

Herr Anschütz, weshalb ist ein Berufsanerkennungsverfahren notwendig?
Andreas Anschütz: Im nicht reglementierten Bereich ist es nicht notwendig, ein Anerkennungsverfahren zu durchlaufen. Das heißt, wenn der Arbeitgeber das nicht braucht - etwa für Haftungsfragen oder die tarifliche Eingruppierung. Es ist allerdings für den Betrieb ratsam, zu schauen: Wie kann die Person am besten in die betriebliche Praxis integriert werden? Oder gibt es vielleicht noch fachliche Defizite, die ausgeglichen werden müssen?

Und welche Vorteile hat der Betroffene?

Anschütz: Für den Betroffenen ist ein Anerkennungsverfahren auch von Vorteil, um zu wissen: Wo stehe ich im Vergleich mit der jeweiligen deutschen Berufsausbildung? Bin ich überhaupt richtig eingruppiert und werde entsprechend bezahlt? Das Entscheidende bei dem Verfahren ist für beide Seiten, Transparenz zu schaffen. Welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten sind vorhanden, wo fehlt es eventuell, und wo kann vielleicht durch eine Anpassungsqualifizierung noch etwas nachgeholt werden?

So ein Anerkennungsverfahren ist aber auch mit Aufwand verbunden. . .

Anschütz: Ja. Aber das ist für das, was man hinterher bekommt, angemessen. Man muss nicht nur einen Antrag stellen, es müssen auch die von einem Dollmetscher übersetzten Berufsabschlusszeugnisse vorgelegt werden, die bewertet werden sollen. Und ein lückenloser Lebenslauf, damit man abgleichen kann, wo eventuell noch Berufserfahrungen oder Fortbildungen auftauchen, die nicht belegt wurden, mit denen vielleicht aber Defizite ausgeglichen werden können.

Wie sieht denn Ihre Arbeit bei der Handwerkskammer konkret aus?

Anschütz: Wir vergleichen die Unterlagen mit dem deutschen Beruf. Dabei legen wir die ausländischen Ausbildungsinhalte zugrunde. Natürlich die, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Betroffenen gegolten haben und nicht die, die im Moment gelten. Deswegen ist das auch immer eine Einzelfallprüfung. Wir können also nicht sofort sagen, ob wir zu einer vollen Anerkennung kommen oder nicht.

Und wie ist der Ablauf nun genau?

Anschütz: Die Personen oder Betriebe nehmen persönlich, telefonisch oder per E-Mail zu uns Kontakt auf. Daraufhin bekommen sie von uns ein Antragsformular und eine Informations-E-Mail, welche Unterlagen in welcher Form vorgelegt werden müssen. Sie haben natürlich auch die Möglichkeit, bei uns einen persönlichen Beratungstermin zu vereinbaren, damit man die ganzen Unterlagen zusammen durchschaut und darauf aufmerksam machen kann, was noch fehlt. Da die Deutschkenntnisse der Antragssteller sehr unterschiedlich sind, ist der persönliche Kontakt sehr wichtig. Wir können anhand der Reaktionen der Person oftmals sehen, ob sie den Verfahrensgang nachvollziehen kann oder nicht. Denn die Person muss ja verstehen, was wir hier überhaupt machen. Bei dem Verfahren fallen nämlich auch Gebühren an.

Was kostet das denn?

Anschütz: Die Gebühren liegen zwischen 100 und 600 Euro. Je nachdem, wie hoch der Aufwand für uns ist.

Sind die Antrags-Unterlagen auf Deutsch?

Anschütz: Ja. Wir haben zusätzlich noch Flyer auf Englisch und Arabisch. Es gibt allerdings noch weitere Hilfen wie beispielsweise die Internetseite www. anerkennung-in-deutschland. de. Dort wird das Verfahren in verschiedenen Sprachen dargestellt.

Wann zahlt man denn nur 100 und wann 600 Euro? Die Spanne ist ja ziemlich groß.

Anschütz: Es gibt zum Beispiel Ausbildungen in Österreich, die kommen den deutschen Ausbildungsabschlüssen sehr nahe. Wenn wir so einen Fall bereits bewertet haben, haben wir ja die entsprechenden Informationen und auch schon eine Entscheidung getroffen. Das heißt, die eigentlich Arbeit - also einen Vergleich anzustellen - wird so minimiert, dass die Arbeitszeit geringer ausfällt und wir nur 100 Euro dafür berechnen. Schwieriger wird es, wenn wir nur schlecht an Ausbildungsordnungen herankommen. Das betrifft etwa die Türkei, wo das nur mit massivem Aufwand möglich ist. Nicht jeder Herkunftsstaat verfügt über Ausbildungsordnungen, in denen es wirklich nur um Fachspezifisches geht. Da stehen zum Beispiel auch Arabisch-Kenntnisse oder Religionsunterricht mit drin. Das muss man dann erst mal auseinanderdröseln und schauen, wo denn eigentlich die Information steht, die man braucht, um den Vergleich mit dem deutschen Beruf anstellen zu können.

Das klingt aufwendig.

Anschütz: Ja. Die Recherche und der anschließende Vergleich - gerade auf Meisterniveau - können so lang werden, dass wir in Richtung einer Gebühr von 600 Euro kommen. Denn wenn jemand auf Meisterniveau einen Antrag stellt, müssen wir ja auch die Gesellenebene mit überprüfen.

Wie kommen Sie denn an Ihre Informationen? Gibt es denn in anderen Ländern auch so etwas wie Handwerkskammern?

Anschütz: Wir haben Partnerkammern, zum Beispiel in Slowenien und Kroatien, aber auch gute Verbindungen nach Österreich, wo wir gezielt Informationen einholen können. Europaweit gibt es zudem das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI), mit dem öffentliche Stellen arbeiten (Anm. d. Red. : Online-Tool, das die Behörden bei grenzüberschreitender Verwaltungszusammenarbeit unterstützt). Das heißt, wenn wir zu einem rumänischen Abschluss keine Informationen vorgelegt bekommen, würden wir über das IMI eine Anfrage in Rumänien stellen. Dort wird es von einem zentralen Ansprechpartner entgegengenommen und der zuständigen Behörde übergeben. Und die muss dann innerhalb einer vorgegebenen Frist antworten. Auf diesem Weg bekommen wir auf jeden Fall Informationen, wenn es um europäische Abschlüsse geht.

Das Interview führte

Silvia Obster.

Foto: Michael Schuhmann