Eichstätt
Das Ende jugendlicher Träume

Viele junge Pioniere wurden durch den Ersten Weltkrieg um ihre Zukunftspläne gebracht

15.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:38 Uhr
Johann Kraus
Die Feldpost des ehemaligen Schülers Paul Schreiber (Bild unten) aus dem Ersten Weltkrieg steht im Mittelpunkt der Weihnachtsschrift der "Freunde des Willibald-Gymnasiums". Zu Beginn seiner Ausbildungszeit war der Absolvent des Jahrgangs 1915 in die Pionierkaserne in Ingolstadt (oben) eingezogen worden und sendete von dort erste Erfahrungsberichte. −Foto: Kraus/Freundeskreis

Eichstätt (EK) Was ein ehemaliger Absolvent des Willibald-Gymnasiums im Ersten Weltkrieg erlebt hat, liest man in der Jahresausgabe der "Vereinigung der Freunde des Willibald-Gymnasiums". Was der damalige Schüler in seiner Feldpost beschreibt, macht die Schrecken des Krieges greifbar.

An die Zahl, dass im Ersten Weltkrieg etwa zehn Millionen Menschen ums Leben gekommen sind, hat man sich - als Bestandteil des geschichtlichen Grundwissens - fast schon gewöhnt. Wenn aber eines dieser zahllosen Opfer einen Namen bekommt und man das Leid und die Angst dieses einzelnen Menschen vor Augen geführt bekommt, erschüttert das jedes Mal wieder, auch wenn die geschichtlichen Vorgänge inzwischen über 100 Jahre zurückliegen.

Genau dieser Effekt gelingt der "Vereinigung der Freunde des Willibald-Gymnasiums" mit seiner Jahresausgabe, die sich - nun bereits zum dritten Mal - mit dem Ersten Weltkrieg beschäftigt. Durch Vermittlung von Konrad Kögler war es gelungen, an die Feldpost eines ehemaligen Schülers zu gelangen, die im Mittelpunkt der Schrift steht.

Dieser Absolvent (Abitur 1915), ein gewisser Paul Schreiber aus Hitzhofen, lässt uns in vielen Zeugnissen (Briefen und Tagebuchnotizen) teilhaben an seinen Erfahrungen und Emotionen, die er fast täglich von seiner Einberufung bis zu seinem Tod ein halbes Jahr später schildert.

Eigentlich hatte der junge Mensch den Entschluss gefasst, sich dem Priesterberuf zu widmen und war deswegen auch bereits ins Seminar eingetreten. Umso schwerer fällt es ihm bereits nach seiner Einberufung in die Pionierkaserne in Ingolstadt, mit dem unkameradschaftlichen Verhalten einiger anderer Rekruten (wiederholte Diebstähle) und dem schikanösen Verhalten seiner Vorgesetzten zurechtzukommen. So ist in den Briefen direkt eine kleine Erleichterung zu verspüren, als es endlich "losgeht" und er an die Westfront gebracht wird. Überzeugt von seiner Berufung zum Priester deutet er nur an, wie andere Soldaten diesen Wunsch ins Lächerliche ziehen, auf der anderen Seite aber doch von der Festigkeit seiner Entscheidung beeindruckt sind. So fällt es ihm zum Beispiel sehr schwer, im Felde nicht den Pflichten eines gläubigen Christen nachkommen zu können.

Um seine Angehörigen zuhause nicht übermäßig zu beunruhigen, deutet er in seinen Briefen das tatsächliche Kampfgeschehen oft nur an. Berührend auch, wie er sich - im Kontrast zum unerbittlichen Kampfgeschehen - an der Natur erfreuen kann, die ihm ein Symbol für eine von Gott wohl bestellte Welt ist.

Wie viele andere Absolventen, deren Feldpostbriefe im Archiv des Willibald-Gymnasiums erhalten sind, versucht auch er, sich kulturell zu betätigen, indem er zum Beispiel Gedichte in altgriechischer Sprache verfasst.

Mit Beginn der sogenannten Somme-Schlacht im Juli 1916 verdüstert sich seine Stimmung deutlich. Nun beschreibt er auch erstmals kurz seine Tätigkeit als Pionier: In einem Stollen, der offensichtlich unter die feindlichen Linien gegraben worden war, soll er - zusammen mit einem weiteren Kameraden - aus den Geräuschen dort unten Schlüsse ziehen, welche Aktionen die feindlichen Truppen planen.

Aus den letzten Briefen ist dann schon ersichtlich, dass die bis dahin herrschende Ordnung in seinem Truppenteil verloren gegangen war. Im letzten Brief äußerst er nochmals den inständigen Wunsch, eines Tages seinen Eltern als Priester die Heilige Kommunion reichen zu dürfen.

Das den Brief abschließende "Auf Wiedersehn", das hier sicher im wörtlichen Sinn zu verstehen ist, bleibt unerfüllt. Nach Aussage eines Kameraden, der bei der Offensive der englischen Truppen in Gefangenschaft geriet und bezeugte, dass Paul Schreiber starb, wurde dieser Monate später für tot erklärt. Über den Verbleib seiner sterblichen Überreste ist nichts bekannt.

Passend zum Thema ist weiter ein Tagebuchfragment abgedruckt, das vermutlich der Pfarrer aus dem nordschwäbischen Daiting zu Beginn des Ersten Weltkrieges verfasst hat. Entgegen der landläufigen Meinung, die Bevölkerung habe den Ausbruch des Krieges mit Begeisterung begrüßt, ist hier doch die Bedrückung in dem kleinen Dorf zu spüren, weil jedermann weiß, dass im kommenden Krieg viele Menschen auf grausame Art und Weise ums Leben kommen werden.

Abgerundet wird die Schrift mit einem Bericht zur Sanierung des Willibald-Gymnasiums, die im Herbst mit einem Festakt abgeschlossen wurde. Die Schrift kann zum Preis von 5 Euro im Sekretariat der Schule erworben werden.

Johann Kraus