München
"Das Duell ab jetzt ist: Schwarz gegen Grün"

CSU zählt sich zu den Sieger der Europawahl - Söder will Partei "moderner und cooler" machen

27.05.2019 | Stand 23.09.2023, 7:11 Uhr
Markus Söder (CSU), Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Manfred Weber (CSU) (l-r). −Foto: Michael Kappeler

München (DK) Rückblickend auf frühere Europawahlen hat die CSU mit 40,7 Prozent am Sonntag ziemlich schlecht abgeschnitten: 48,1 Prozent waren es vor zehn Jahren, gar 64,0 Prozent vor zwanzig Jahren.

Gleichwohl zählt die CSU-Führung sich selbst zu den Siegern - weil die 40,7 Prozent vom Sonntag nun mal besser seien als die 40,5 Prozent von der Europawahl 2014. Und weil die 40,7 Prozent auch besser seien als die 37,2 Prozent der Landtagswahl 2018 und die 38,8 von der Bundestagswahl 2017.

"Trendumkehr", befindet Markus Söder. Es ist die erste Wahl, die er als frischgebackener CSU-Chef verantwortet - weshalb er gleich noch ein paar weitere machtpolitische Korsettstangen einzieht: So liege man knapp zwölf Prozentpunkte über dem bundesweiten Unions-Ergebnis von 28,9 Prozent - also entsprechend deutlich auch noch vor der Unionsschwester CDU.

Gut, räumen CSU-Vorständler ein, schließlich habe man mit dem CSU-Mann Manfred Weber auch den Spitzenkandidaten gestellt. Gleichwohl, so Söder, habe die CSU europaweit eines der besten Parteiergebnisse erreicht. Und das habe nicht nur an Webers Spitzenkandidaten-Status gelegen, möchte Söder damit sagen - denn Frans Timmermanns, der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten und Webers Gegenkandidat, habe "nicht annähernd den Rückenwind in Holland" bekommen, so Söder. Timmermanns Partei wurde niederländischer Wahlsieger - mit gerade einmal 18,9 Prozent.

Als Wahlsieger sieht Söder seine CSU aber auch deshalb, weil sie - anders als die anderen Beteiligten der Bundesregierung - nicht vom Wähler abgestraft worden sei: Die CSU sei die einzige Partei, die sich vom "negativen Trend" der großen Koalition in Berlin "abgekoppelt" habe, machte Söder deutlich. In der Tat: Wenn man die CSU aus dem Unions-Ergebnissen herausrechnet, dann liegt die CDU alleine in großen Teilen Deutschlands hinter der Grünen. Und dass die SPD der Wahlverlierer schlechthin ist, bedurfte gestern praktisch nirgendwo einer weiteren Analyse. "Der Linksruck ist das, was die Bürger gar nicht wollen", so Söder.

Und umgekehrt, findet Söder, habe die CSU vom Umgang mit dem Artenschutz-Volksbegehren bis zur klaren Abgrenzung von der AfD ziemlich viel ziemlich richtig gemacht. Gewählt werde sie quer durch alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten, gerade beim Normalverdiener, quer durch alle Altersschichten, auf dem Land wie in der Stadt, wie CSU-Generalsekretär Markus Blume deutlich macht. Dennoch schwant Söder: "Die alte Welt beginnt sich zu verabschieden. "

Vor allem die Erfolge der Grünen treiben Söder um. Zwar hätten die in den Städten, wo sie klassisch stark seien, im Vergleich zu den zurückliegenden Wahlen nicht mehr so zulegen können wie zuvor. Aber dass die die Grünen doppelt so viele Erst- und Jungwähler hatten wie die CSU, das könne seine Partei auf keinen Fall kalt lassen. "Das geht nicht. Es ist die zentrale Aufgabe, dort stärker zu werden. Wir müssen jünger, moderner, cooler werden", so Söder. Seine Ansage ist eindeutig: "Das Duell ab jetzt ist: Schwarz gegen Grün. " Da sei die Europawahl nur "die erste Etappe" gewesen. Notwendig sei, dass seine Partei nun andere Zugänge und neue Wege finde, jungen Menschen klar zu machen, dass man sie ernst nehme. "Die CSU muss digitaler werden", so Söder. Ziel: Schneller auf Debatten reagieren. Und die, so darf man ihn verstehen, fänden heute nicht mehr in den klassischen Medien statt, sondern im Internet. Siehe das Video des Youtube-Influenzers Rezo, der vor der Wahl die CDU programmatisch zusammengefaltet hatte - was aber seitens der CDU unwidersprochen blieb.

Söder will auf Debatten "schneller, cleverer, gelassener und nachhaltiger" reagieren, wie er gestern sagte. Ergebnisse sollen sich schnell einstellen, wie CSU-General Markus Blume deutlich machte: "Wir, die CSU, sind wieder da", verkündete er. "Spätestens bis zur Kommunalwahl wollen wir wieder in allen Städten stärkste Kraft sein. " Das Land hatte der CSU ohnehin weitgehend die Stange gehalten - und das, obwohl Themen wie das Artenschutz-Volksbegehren beispielsweise bei den Landwirten nicht sonderlich gut angekommen sind.

Was Berlin und die Zukunft der großen Koalition angeht, will man seitens der CSU erstmal den "stabilen Anker und die Stimme der Vernunft" geben, wie Blume gestern nach der CSU-Vorstandssitzung sagte. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die durchaus angeschlagen aus der Europawahl hervorgeht, wird von der CSU gestärkt. Und die SPD lediglich ermahnt, sie müsse "aufpassen, dass sie nicht erneut falsch abbiegt". Der thematische "Griff in die sozialistische Mottenkiste" habe offensichtlich nichts Gutes bewirkt, so Blume.

TRAUMERGEBNIS FÜR MANFRED WEBER IN SEINER HEIMAT

CSU-Spitzenkandidat Manfred Weber hat bei der Europawahl in seiner niederbayerischen Heimatgemeinde Wildenberg ein Traumergebnis von 74 Prozent für die CSU geholt. Von 753 Wildenberger Wählern stimmten somit knapp 560 für Weber, wie aus dem vom Landratsamt Kelheim veröffentlichten Ergebnis hervorgeht. Keine andere Partei kam über zehn Prozent, an zweiter Stelle lag die AfD mit gut acht Prozent vor den Grünen mit knapp sechs Prozent. Noch beliebter ist Weber allerdings aus ungeklärten Gründen in der Nachbargemeinde Kirchdorf: Dort bekam die CSU sogar 75 Prozent, und keiner anderen Partei glückte der Sprung über fünf Prozent. Das CSU-Ergebnis in Niederbayern ist ohnehin von einem starken Weber-Bonus geprägt: Mit 53,4 Prozent holten die Christsozialen dort das beste Ergebnis aller sieben bayerischen Regierungsbezirke. Das schlechteste Ergebnis fuhr die CSU mit 36 Prozent in Mittelfranken ein, der Heimat von Ministerpräsident Markus Söder. Dort ist die CSU aber seit jeher vergleichsweise schwach.dpa

Alexander Kain