Sonntag,
Das bange Warten auf die eine Startnummer

Viele in der jubelnden Menge am Solarer Berg haben nur Augen für einen Athleten nämlich ihren Angehörigen

09.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:49 Uhr

Foto: Sophie Schmidt

Sonntag, 8.55 Uhr am Solarer Berg. Aus den Lautsprechern von Bayern 3 tönt Partymusik, die Trommelgruppe gibt den Takt vor. Doch auf der Strecke ist kein Athlet zu sehen, es kreuzen noch Zuschauer entspannt von Absperrung zu Absperrung. Aber mit jeder Minute ist die Spannung greifbarer. Als das erste Motorrad die Ankunft der Topathleten ankündigt, drängen sich alle an die Absperrgitter. Die Blicke der Fans sind den Hügel hinab gerichtet, dort, wo jeden Moment der Schnellste ums Eck kommen wird. Und dann ist es so weit: Plötzlich schießt Nils Frommhold an den begeistert jubelnden Zuschauern vorbei. Der Geräuschpegel nimmt zu, es wird gekreischt, gerasselt, geschrien und fleißig die Klatschstangen geschwungen. Timo Bracht und Terenzo Bozzone nehmen die Verfolgung auf, preschen hinter Frommhold den Berg hinauf.

Andreas Will versucht direkt am Absperrgitter am Fuß des Berges, seine beiden kleinen Söhne zu bändigen. Sie warten auf ihre Mama, die sich irgendwann hier den Berg hinaufquälen wird - ein wenig wird es noch dauern, Marcala Carli-Will hat die Startnummer 1018. Das Ehepaar hat sich beim Triathlon in Brasilien, Marcalas Heimat, kennengelernt. Später habe seine Frau wegen der Kinder elf Jahre ausgesetzt, in Roth ist sie nun das erste Mal am Start. "Nach der langen Pause ist das heute etwas ganz Besonderes", sagt Andreas Will sichtlich stolz.

Athy Byrd wartet auf ihren Ehemann und guckt immer wieder, ob sie auf einem Trikot oder Helm die Startnummer 3338 entdeckt. Sie hat einen weiten Weg zurückgelegt, um ihren Mann Malcolm zu unterstützen: Acht Stunden saß das Paar im Flugzeug, um von seiner Heimat Alabama (USA) nach Roth zu kommen. Es ist das erste Mal, dass ihr Mann in Roth teilnimmt. Sie genieße die Stimmung sehr, sagt Athy strahlend.

Eine Gruppe Frauen hat es sich ein Stück weiter den Berg hoch auf dem Asphalt gemütlich gemacht. Während um sie herum alles schreit und klatscht, sitzen die Frauen entspannt zusammen. Taryn Pile, eine von ihnen, kam aus London nach Roth. Ihre Freundinnen allerdings haben sich aus Johannisburg auf nach Franken gemacht. Gleich mehrere Freunde und Familienmitglieder nehmen am Wettkampf teil: Taryn ist vor allem wegen ihres Bruders da, der schon einige Triathlonwettkämpfe hinter sich habe. Die Atmosphäre sei unglaublich, erklärt sie, sie habe viel Spaß.

Woher Sue und ihr Sohn Oliver Newman kommen, erkennt man auf den ersten Blick: "Australia" steht quer über die Brust auf ihre T-Shirts gedruckt. Sues Mann Steven hat die Startnummer 179, er hat die Hürde Solarer Berg schon genommen. Er habe sich vorgenommen, genau diesen Triathlon zu machen, also begleite sie ihn, sagt Sue. Dieses Sportereignis habe auf Stevens "Bucket-List" gestanden, also der Liste von Dingen, die er immer mal unternehmen wollte.

Auch Nicole Willi hat die Flagge ihres Heimatlandes übergroß dabei, sogar mehrmals: Stolz schwenkt sie die Schweizer Nationalfarben. Sie hat selbst schon beim Triathlon mitgemacht, nun hat sie den Mann ihrer Nichte mit dem Fieber angesteckt: Für ihn sind die Schweizer heute am Solarer Berg. "Das hier ist der tollste Wettkampf der Welt", erklärt Willi, wieso sie so einen weiten Weg auf sich genommen hat.

Arne Hellstroem steht nervös am Gipfel des Berges, dort, wo kein Absperrgitter mehr steht. Irgendwann kommt seine Tochter vorbei, die möchte der Schwede aus vollem Halse unterstützen. Als seelischen Beistand hat er seinen Freund Lasse Gonnstedd dabei. Die beiden sind das erste Mal in Roth, ihnen gefällt es gut hier. Zwar können sie nur für die Zeit des Wettkampfs bleiben, aber sie saugen die Stimmung förmlich auf.

"Go Alex Kaz" heißt es auf einem Schild, das eine junge Frau den Radfahrern entgegenstreckt. Die klein darauf skizzierte Flagge verrät, wo der Athlet herkommt: aus den USA. Kim und Alex Kaz (Startnummer 3045) kommen aus Washington D.C. Es ist das dritte Langdistanzrennen ihres Mannes, um ihn zu unterstützen, ist sie die 6700 Kilometer Luftlinie mitgereist. Auch, wenn sie das erste Mal in Roth ist, findet Kim es hier "ganz wundervoll - I love it".

Abbey Kileen ist für ihren Vater in Roth. Der hatte im letzten Jahr schon den Kraftakt Triathlon versucht, kam aber nicht mehr ins Ziel. Dieses Jahr ist er zurückgekommen, "um zu beenden, was er angefangen hat", erklärt Abbey. Die Australier sind als ganze Triathlon-Gruppe angereist, Susan Tylor, wie Abbey in eine australische Flagge gehüllt, unterstützt ihre Schwester. In Australien habe der Challenge Roth einen guten Ruf, erklären die beiden.

"Team Rubio de la Rosa" schreit es von den orange-pinken Tops mehrerer Mädchen. Sie kommen aus Mexiko, erklärt Mutter Betty. Ihr Mann Rubio, Startnummer 2630, nimmt heute teil, da unterstützen ihn "seine" Mädels. Neben Mutter Betty sind das noch die Töchter Charon, Hannah und Naomi. Alle hätten hier Spaß, erklärt Betty mit dem Blick auf ihre Töchter.

Etwas andere Schilder hat eine Gruppe aus Erlangen dabei: "Für das Zielbier", steht dort in großen Buchstaben geschrieben. Gleich zwei Freunde unterstützt die Gruppe: "Wir sind voll im Fieber", erklärt Silke Kominos. Mehr kann sie gerade nicht sagen, jeden Moment werden ihre Freunde mit den Startnummern 2234 und 2719 erwartet. Und diesen Moment will sie nicht verpassen.