Nürnberg
"Danke für die schönste Fußballsaison!"

Nürnberg erweist den Club-Meisterspielern von 1968 mit Empfang die Ehre - Launige Laudatio von Klaus Schamberger

12.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:30 Uhr
Matthias Hertlein
Meisterspieler des 1.FC Nürnberg: Diese Bezeichnung können nicht mehr viele Leute tragen; fünf, die es vor 50 Jahren geschafft haben, feiern im Historischen Rathaussaal, tragen sich wie auch die Meister von 1961 ins Goldene Buch ein. −Foto: Matthias Hertlein

Nürnberg (HK) Emotionen, Applaus für die Meistermannschaft von 1968, prachtvolle Erinnerungen, wundervolle Anekdoten: Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des neunten und bislang letzten Meistertitels des ruhmreichen 1. FC Nürnberg hat die Stadt Nürnberg zu einer Meisterfeier samt Empfang in den Historischen Rathaussaal geladen. Und alle, alle kamen.

Die Krönung des Abends war, als sich die verbliebenen Meisterspieler von damals ins Goldene Buch der Stadt eintrugen. Fünf der noch sieben lebenden Legenden - Georg Volkert war krankheitsbedingt, Gustl Starek privat verhindert - unternahmen die Reise in die Vergangenheit im Beisein des Oberbürgermeisters Ulrich Maly. Als i-Tüpfelchen der gelungenen Feier bezeichnete dieser den Aufstieg und damit die Rückkehr des Club ins Fußball-Oberhaus just zum runden Geburtstag.

"Auch wenn sich der Fußball wahnsinnig verändert hat, ist unglaublich viel geblieben", zog er Parallelen vom Heute zum Früher - "nämlich die Begeisterungsfähigkeit der Menschen und die Tatsache, dass es ein Team-Spiel ist." Letzteres hätten die Meisterspieler an diesem Tag durch ihren gemeinsamen Auftritt unter Beweis gestellt.

Maly attestierte der Mannschaft von 1968, schon damals einen modernen Fußball gespielt zu haben, das könne man noch heute an den historischen Fernsehbildern sehen. Dafür gab es schon zu Beginn des Festabends reichlich Beifall - nicht der letzte. Franz Brungs Goldköpfchen mit fünf Toren beim 7:3 am 2. Dezember 1967 gegen Bayern München - eigentlich unsterblich, Charly Ferschl, Fritz Popp, Max Merkels Lieblingsspieler Luggi Müller oder auch Horst Leupold vernahmen es mit großem Interesse und Genugtuung.

Leupold, der nie den Verein verlassen hatte, um anderswo vielleicht mehr Geld zu verdienen, hatte im Übrigen die Idee zu dieser Jubiläumsfeier gehabt und sie Maly schmackhaft gemacht. Was kein Problem war, wie der OB konstatierte, denn beim Blättern im Goldenen Buch fehlte 1968 ein Eintrag der Meisterspieler. Vergessen worden oder spurlos verschwunden? Da herrschte Redebedarf.

Unter den illustren 250 Gästen befand sich auch der frühere Bundesbauminister und Ehrenbürger der Stadt, Oscar Schneider (91), Roths Landrat und Clubfan Herbert Eckstein, Ex-Clubpräsident Gerd Schmelzer, Nandl Wenauer Junior, der Sohn des wuchtigen Abwehrchefs Ferdinand "Nandl" Wenauer und die Witwe von Torhüter-Legende Edi Schaffer, Irmgard. Aus der aktuellen FCN-Riege waren Thomas Grethlein, der Aufsichtsratschef sowie Finanzvorstand Michael Meeske und Sportvorstand Andreas Bornemann beim Nostalgieabend dabei. Dazu Steff Reisch, Heiner Müller und Kurt Haseneder aus der Meistermannschaft von 1961 und aus dem Pokalsieger-Team von 1962.

Und es blühte der Flachs: "Außer Platzwart war ich alles beim Club gewesen", zitierte Maly den einst beinharten Verteidiger Popp, der mal im kleinen Kreis sagte: "Um den zehnten Meistertitel zu erleben, müsste ich 200 Jahre alt werden." Was Nürnbergs OB an die aktuellen FCN-Macher verbal weiterreichte: "Da haben Grethlein, Meeske und Bornemann ja noch 122 Jahre Zeit. Popp ist heute 77."

Das Stadtoberhaupt rückblickend auf die letzte Meisterschaftssaison und was diese erfolgreich machte: "Die Spieler trugen keine Bärte oder Tattoos, aber es herrschte Kamaradschaft." Spielführer Heinz Strehl sagte seinerzeit über diese Erfolgssaision: "Die Wahrheit ist die Schale. Eine Saison vorher wären wir fast abgestiegen und dann Meister. Wir haben etwas Außergewöhnliches geschaffen." So ist es überliefert. Der damalige DFB-Präsident Hermann Gösmann hatte dem einstigen Nationalstürmer die Schale überreicht. Zu sehen an diesem Abend bei Club-TV.

Mit Stolz erinnerte auch Aufsichtsboss Grethlein an die Vergangenheit und Heimatverbundenheit: "Fast alle, die den großen Erfolg errungen haben, sind in der Stadt, in der Region geblieben und sind für uns, in der ersten Reihe sitzend, sichtbar. Das macht für uns die neunte deutsche Meisterschaft so gegenwärtig." Der Verein sei auch nach fünf Jahrzehnten noch stolz auf diese Jungs. "Diese Meisterschaft ragte aus all den Erfolgen besonders heraus."

Zwischen den Reden gab es Schweiz-Weiß-Filmausschnitte, etwa von der Reise zum Auswärtsspiel nach München (2:0-sieg), von Autokorsos nach dem Titelgewinn, von den Feierlichkeiten auf dem Hauptmarkt. Gänsehaut pur bei jedem echten Clubfan, ob Jung oder Alt.

Die ZDF-Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein, auf dem Weg zur Fußball-WM nach Russland, kitzelte in Mini-Interviews mit Luggi Müller, Horst Leupold oder Charly Ferschl die eine oder andere Anekdote aus den Meisterspielern heraus. So fragte die gebürtige Erlangerin etwa nach dem Verhältnis der Spieler zum Startrainer Max Merkel: "Er war der uneingeschränkte Herrscher, er duldete keinen Widerpart." Oder nach dem Wohlbefinden der letzten Meisterspieler: "Man hat schon ein paar Zipperlein, aber oberhalb der Gürtellinie ist noch alles in Ordnung", antwortete Horst Leupold schlagfertig.

Einer der Höhepunkte dieses Abends war der umjubelte Auftritt des berühmtesten Spaziergängers in Franken: Klaus "Spezi" Schamberger. Von ihm stammt der legendäre Ausspruch "Der Club is a Depp". Als Fan durchleuchtete der heute 76-Jährige launig, köstlich, tiefsinnig und provozierend die Entwicklung des Fußballs auch beim Club, die Modetrends und Marotten der Spieler sowie deren Gehälter. In seiner unnachahmlichen Art rechnete er mit seinem Lieblingsverein ab. Das Ganze glich einer außergewöhnlichen Dichterlesung. Dieses Mal nicht am "Tor der Kleinen", eine von Schambergers einstigen Erfolgskolumnen, sondern am Tor der Großen. Der Spezi gerührt: "Danke an die, die damals 1968 Meister geworden sind. Von denen bin ich wahrhaftig kein Fan, sondern, solange mein Kopf noch einigermaßen funktioniert, ein ganz ehrfürchtiger und großer Bewunderer. Danke für die schönste Fußballsaison in meinem Leben." Wohl nicht nur in seinem.

Matthias Hertlein