Wolnzach
Damit der Drahtesel nicht bockt

In der Wolnzacher Fahrradwerkstatt schrauben Ehrenamtliche und Asylbewerber gemeinsam

09.12.2015 | Stand 02.12.2020, 20:26 Uhr

Gemeinsam kriegen sie das hin: Rudolf Pietzsch (rechts) und Yusuf aus Afghanistan arbeiten gerne zusammen und haben schon so manches alte Fahrrad wieder fit gemacht - Foto: Trouboukis

Wolnzach (WZ) Kein Licht, platte Reifen, keine Bremsen: Mit zum Teil abenteuerlichen Vehikeln sind überall Flüchtlinge unterwegs. Wolnzach will das Radeln sicherer machen und hat jetzt eine besondere Fahrradwerkstatt eröffnet. Dort arbeiten ehrenamtliche Helfer und Asylbewerber Hand in Hand.

Rudolf Pietzsch war früher aktiver Radsportler. Ein funktionstüchtiges Fahrrad war für ihn lebenswichtig: „Wenn man mit plattem Reifen mit 80 Kilometern pro Stunde einen Berg hinunterfährt, dann kann das böse enden.“ Heute ist Pietzsch Rentner und lebt in Wolnzach, sein scharfes Auge für defekte Räder ist ihm geblieben. Und so kam es, dass er eines Tages Hand anlegte: Auf der Klosterstraße in Wolnzach fiel ihm einer der jugendlichen Asylbewerber auf, die dort im ehemaligen Gasthaus Bräustüberl leben. „Ihm sprang ständig die Kette heraus, weil an dem Rad gar keine Schaltung mehr montiert war“, erzählt der Rentner, der sich des Jungen annahm – und gleich alle Fahrräder der unbegleiteten Jugendlichen inspizierte. Das Ergebnis war erschreckend: Keines der geschenkten Fahrräder, die an der Gasthauswand lehnten, war verkehrssicher.

Als dann der Wolnzacher Arbeitskreis Asyl über die Zeitung Helfer suchte, die sich mit Rat und Tat in das Projekt einer Wolnzacher Fahrradwerkstatt einbringen wollten, da war für Pietzsch gleich klar: „Da mache ich mit.“ Einen Nachmittag in der Woche schraubt er nun, richtet und macht, was getan werden kann, denn seit kurzem gibt es die Wolnzacher Fahrradwerkstatt: Eröffnet wurde sie im Schwärzer-Anwesen an der Wendenstraße 11, repariert und hergerichtet werden dort vorwiegend die Fahrräder der Flüchtlinge. „Wir wollen keine Konkurrenz zu den Fachhändlern sein, die uns auch sehr unterstützen“, sagt Pietzsch. „Und außerdem haben wir mit den Fahrrädern der Flüchtlinge schon genug zu tun.“ Dennoch werde jedoch keiner abgewiesen, der kommt, wenn es um kleinere Sachen geht. „Diese Werkstatt soll ja auch ein Treffpunkt und ein Ort des Austausches und des Kennenlernens sein“, bestätigt das Marianne Strobl vom Wolnzacher Arbeitskreis Asyl, für die mit der Eröffnung dieser Radlwerkstatt eine aufreibende Zeit zu Ende gegangen ist. Denn die Fahrradwerkstatt ist eine ihrer Herzensangelegenheiten, die lange Zeit gebraucht hat, bis endlich die passende Örtlichkeit gefunden war. „Ohne den Einsatz unserer Helfer wäre das gar nicht gegangen“, ist sie allen dankbar, die sich dafür eingesetzt haben. Denn schon vor dem Einzug in das Schwärzer-Anwesen, in dem seit wenigen Wochen Asylbewerber untergebracht sind, wurde geschraubt, um die gespendeten Räder zumindest einigermaßen in Schuss halten zu können: Eugen Roithmayr hat dafür zunächst seine private Garage zur Verfügung gestellt, ging aber damit sowohl platz- als auch kraftmäßig bald an seine Grenzen. Jetzt, wo die Fahrradwerkstatt in einen Nebenraum des Schwärzer-Anwesens – der ehemalige große Bauernhof mit seinen Nebengebäuden bietet vielfältige Möglichkeiten – einziehen durfte, ist Roithmayr entlastet, hat aber zugesichert, weiterhin zu helfen.

„Für ihn sind die neue Werkstatt und unser Rudolf Pietzsch eine spürbare Entlastung“, so Marianne Strobl, die sich sehr freut, dass die Fahrradwerkstatt nach langer Suche nun einen optimalen Standort gefunden hat: einen im Ortszentrum, einen, bei dem Leute einfach vorbeischauen können, einer, der auch zum Zentrum des Treffens und Miteinanderredens werden kann. „Dieses Projekt hat mich jetzt über sieben Monate beschäftigt“, umso dankbarer sei sie jetzt allen, die dazu halfen, dass es doch etwas wurde.

Ein wichtiger Impuls auf die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung kam auch von Landratsamtsmitarbeiterin Uschi Schlosser, die sich die Radlwerkstatt auch schon selbst angeschaut hat. Tatkräftige und mentale Hilfe habe auch Rudi Hausner, ein Nachbar des Hofes, geleistet, zur Eröffnung brachte er ein Geschenk: einen nagelneuen Fahrradreifen.

Dass die Asylbewerber mit möglichst sicheren Fahrrädern fahren, das sei die eine Sache, dass sie selbst mit anpacken, in Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern so die Sprache und auch das zu schätzen lernen, was ihnen kostenlos anvertraut wird, das andere. „Wenn etwas aus Unachtsamkeit kaputt geht oder gar mutwillig zerstört wurde, dann müssen die Asylbewerber auch für die Reparatur etwas bezahlen“, erklärt Rudolf Pietzsch, wie das Ganze laufen soll. Einmal pro Woche – immer am Dienstagnachmittag – wird er jetzt im Schwärzer-Anwesen schrauben, zwei Helfer hat er schon: Die beiden Afghanistan-Flüchtlinge Ismail und Yusuf sind handwerklich sehr geschickt, helfen mit und kommen dazu immer dienstags aus ihrer Unterkunft am Brunnen an die Wendenstraße.