Ingolstadt
Damals bei den Blumenkindern

Mehr Show als Musiktheater: Broadway Musical Company New York brachte "Hair" nach Ingolstadt

31.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:44 Uhr

Back to 1967: Zur munteren Zeitreise lud die in Ingolstadt gastierende Broadway Musical Company New York. - Foto: Leitner

Ingolstadt (DK) Mit "Hair" eroberten im Oktober 1967 die Hippies die Bühnen des verhassten Establishments. Voller Begeisterung und - wie man heute weiß - mit grenzenloser Naivität propagierten sie freie Liebe, LSD, kostenlose Rockkonzerte und friedlichen politischen Protest, endeten aber ziemlich schnell bei Charles Manson, Christiane F., Altamont und "Four Dead in Ohio". Im Grunde war die Hippie-Ära nicht viel mehr als ein kurzes Aufleuchten einer verlockenden Utopie, die in der Praxis nicht umsetzbar war.

Heute, 50 Jahre danach, nachdem Senioren-WGs die linken Kommunen von damals abgelöst haben, und die "gute Gesellschaft" den als "dreckige Gammler" beschimpften Hippies nostalgietrunken Beifall zollt, kommt einem das ganze Szenario fast unwirklich vor, auch deshalb, weil heute trotz vergleichbarer gesellschaftlicher Voraussetzungen jugendlicher Protest nicht stattfindet. Nicht stattfinden kann, denn wer behaglich im Hotel Mama residiert und den Sinn seines Daseins im Posten von Selfies sieht, hat kein Interesse an Veränderung.


Die Broadway Musical Company New York bringt an diesem Abend "Hair" unter der Regie von Andrew Carn auf die Bühne des Theaterfestsaals, die Story um Claude und Berger, um Kriegsdienst und dessen Verweigerung, um Anpassung und Protest. Batikhemdchen, Klingelglöckchen, lange Mähnen und Schlabberlook bestimmen die Szenerie, die Hits "Aquarius", "Let The Sunhshine In" und "Good Morning Starshine" werden freudig beklatscht. Wie in alten Zeiten singen und sprechen die Akteure in Handmikrofone, was den Spielfluss erheblich behindert. Choreograf Michael Burnie hat der Truppe lebendige Bewegungsabläufe auf die Leiber geschrieben, die Band agiert solide, das Bühnenbild ist vergleichsweise nüchtern gehalten, und unter den 16 Akteuren befinden sich einige mit erstaunlicher stimmlicher Präsenz. Das große Manko, vor der Pause ist die Umsetzung der Geschichte hinter der Show.

Wohl dem, der sich vorab informiert hat. Es ist nämlich fast unmöglich, rein von der Bühnenaktion her auf den kompletten Inhalt zu schließen. Hier ist die Regie gefordert, die aber offensichtlich bereits den Handlungsbedarf erkannt hat. Warum sonst würden an einigen Nahtstellen Übersetzungen von Seiten der Schauspieler angeboten? - Diese Lösung ist alles andere als elegant. Eine eindeutigere Charakterisierung zumindest der Hauptrollen zu einem früheren Zeitpunkt hätte vermutlich ebenfalls weiter geholfen.

Gesprochene Passagen werden über weite Teile eher geschrien. Lautstärke mag ja dramaturgisch notwendig sein, sicherlich aber nicht in dieser Penetranz. Überhaupt ist vieles sehr schrill. Es war ja auch eine schrille Zeit damals. Immer wieder aber führt allzu drastische Überzeichnung zu Klamauk und man fragt sich, ob die Absicht hinter der Produktion war, sich über den Stoff lustig zu machen. Deswegen und auch aus Gründen der Dynamik und der Abwechslung ist etwa das von Elizabeth Wyld gesungene "Frank Mills" so wichtig. Ein fortwährend nur auf High Speed laufendes Happening greift eindeutig zu kurz.

Nachdem die psychedelische "Stoned"-Sequenz zum Ende hin und auch der Schluss substanzieller geraten, findet die Produktion trotz ziemlich viel Luft nach oben im Gegensatz zur Story doch noch ein einigermaßen versöhnliches Ende.