Hilpoltstein
"Da war Hilpoltstein noch übersichtlich"

Gerd Fackelmeyer dokumentiert in seinem Fotoband "Wie? Im Flug!", wie die Stadt vor 60 Jahren aussah

11.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:56 Uhr
Gerd Fackelmeyer hat in seinem Fotoband dokumentiert, wie Hilpoltstein im Jahr 1958 ausgesehen hat. −Foto: Kofer

Hilpoltstein (HK) Die Rother Straße eine leere Pappelallee, der Altstadtring ein schmales, nahezu unbebautes Sträßchen, - so hat Hilpoltstein 1958 ausgesehen. Nur das Terrassencafé, kurz TC, sieht heute noch fast so aus wie damals. Doch vieles, was Gerd Fackelmeyer in seinem neuen Buch "Wie? Im Flug! Luftaufnahmen von 1958 aus dem Stadtarchiv Hilpoltstein" zusammengetragen hat, existiert heute nicht mehr. "Wie sich Hilpoltstein in der Zeit verändert hat, ist schon der Hammer", sagt Fackelmeyer. "Wo heute unser Haus steht, war früher eine Hennerfarm."

 


All diese Veränderungen hat er in seinem 84-seitigen Bildband mit Luftaufnahmen in Schwarz-Weiß dokumentiert. Erhältlich ist das Werk seit Kurzem in der Buchhandlung Schmid. Das Hardcover kostet 29,80 Euro. "Es soll ja was gleichsehen", begründet Fackelmeyer, warum er sich für die teuere Variante entschieden hat. Seit dem Frühjahr hat Fackelmeyer an dem Buch gearbeitet. Er hat jedes der Fotos genau studiert und dann darunter notiert, was darauf zu sehen ist. Jeder Aufnahme ist eine eigene Seite gewidmet. Außer der Ortsbeschreibung gibt es keinen Text. Im Anhang sind alte Postkarten von Hilpoltstein abgedruckt.

Wenn sich Fackelmeyer nicht sicher war, hat er ortskundige Hilpoltsteiner wie Gottfried Gruber, Ruppert Rupp aus Heuberg oder Erich Fiegl aus Kronmühle zu Rate gezogen. Aber die meisten Ecken seiner Heimatstadt kennt der heute 66-Jährige noch aus eigenem Erleben. Wie den Kiosk vor dem damaligen Amtsgericht, in dem Alwine Spengler Zeitschriften und Tabakwaren verkaufte. Damals gab es noch zwei Kioske in der Stadt. Den anderen am Bahnhof hat Gerd Fackelmeyer jeden Tag gesehen, wenn er als Schüler mit der Gredl nach Schwabach ins Gymnasium gefahren ist.

Gut erinnern kann er sich auch an Feinkost Czöppan, ein Geschäft, das zwischen der Druckerei Milizer und dem "Weißen Roß" in der Christoph-Sturm-Straße lag. "Da ist damals alles abgerissen worden", erinnert sich Fackelmeyer.

Als Schulbub hat er mit großer Neugier zugesehen, als der bekannte Fuhrunternehmer Franz Steib - Fackelmeyer: "A Viech mit Haxn" - das "Weiße Roß" dem Erdboden gleichmachte. Er hat einfach im Obergeschoss eine schwere Stahltrosse durch die Fenster am Hauseck gezogen und dann mit einem großen Radlader angezogen. "Dann ist die Bude eingekracht", erinnert sich Fackelmeyer. Die Straße wurde für den Abriss nicht gesperrt. "Verkehr gab es ja so gut wie keinen. Da war Hilpoltstein noch übersichtlich."

Aufmerksam gemacht wurde Fackelmeyer auf den Luftbild-Schatz von Harald Mulack, der durch Zufall im Stadtarchiv auf die 60 Jahre alten Negative gestoßen war. Der notorische Sammler, der sich für alles interessiert, was seine Heimatstadt angeht, wurde sofort neugierig. Mit Erlaubnis der Stadt durfte er die Luftaufnahmen verwenden. Im Gegenzug fotografierte er alle Negative und stellte sie dem Archiv als digitale Dateien zur Verfügung.

Er selbst hat sich dafür entschieden, die Bilder auf einem "dauerhaften Datenträger" zu speichern, wie er es als Bankkaufmann gelernt hat. "Und der dauerhafteste Datenträger ist nun mal Papier", sagt Fackelmeyer. Doch als die Druckerei die 50 Exemplare der ersten Auflage lieferte, war er entsetzt. Denn vom Foto mit der Nummer 983/24 ist nur ein Ausschnitt gedruckt worden, der dafür umso größer. "Ich habe gedacht, mich trifft der Schlag", erzählt Fackelmeyer. In Handarbeit ersetzte er sofort den falschen Ausschnitt durch ein echtes Foto. Somit werden die ersten 50 Bücher zu Unikaten. Sollte die Nachfrage größer sein als erwartet, will Fackelmeyer nachliefern.

Er wolle den Alltag in Hilpoltstein dokumentieren, solange das noch möglich ist, sagt Fackelmeyer. "Wenn sie noch 20 Jahre warten, gibt es keinen mehr, der sagen kann, was man da sieht." Wie zum Beispiel den alten Fürstenhof, der trotz seiner mächtigen Eichensäule in den 1980er-Jahren abgerissen worden ist. "Das war der Treffpunkt der Jugend", erinnert sich Fackelmeyer. Es gab ein Wirtshaus und ein Kino im Fürstenhof. "Da war richtig Leben drin." Diese und viele andere Geschichten will Gerd Fackelmeyer in seinem nächsten Buch erzählen, das er dem Alltag in Hilpoltstein widmen will. "Ein größeres Werk", an dem Fackelmeyer seit zehn Jahren arbeitet. 240 Seiten mit Text und Bildern hat er zusammen, im Frühjahr 2020 soll es erscheinen.

 

Robert Kofer