Neuburg
"Da wären andere Betriebe froh"

Lebenshilfe öffnet wieder einmal ihre Pforten und viele Besucher nutzen die Gelegenheit, hinter die Kulissen zu blicken

09.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:20 Uhr

Ein Blick in die Kerzenwerkstatt. Wie das geht, wird hier Besuchern beim Tag der offenen Tür gezeigt. Für die Lebenshilfe und ihren sozialen Auftrag interessieren sich zunehmend auch Menschen, die keine Angehörigen dort haben. - Fotos: Frank

Neuburg (kpf) "Filzen fördert die Motorik und steigert das Selbstwertgefühl." Gruppenleiterin Marion Pohl hält Produkte in Händen, die gemeinsam mit den Mitarbeitern - in den Lebenshilfewerkstätten sind das Menschen mit Behinderungen, die anderen werden als Personal bezeichnet - entstanden sind. Schön präsentiert, hatten die Besucher am Samstag beim Tag der offenen Tür , verbunden mit dem Frühlingsfest der Einrichtung, die Qual der Wahl, was sie erstehen wollten.

Pohl berichtet, dass die Behinderten mit dabei sind, wenn die bereits gefärbte Wolle beim Schäfer gekauft wird. Die fertigen Produkte landen schließlich im Hand-in-Hand-Laden der Lebenshilfe in Ingolstadt.

Ein paar Schritte weiter ist die Kerzenwerkstatt, deren Sortiment durch Vielgestaltigkeit und Wohlgerüche besticht. Eva Lisson aus der Förderstätte versucht sich im Kinderschminken. Es eines der vielen Angebote der Werkstätten für die Gäste an diesem besonderen Tag, an dem es natürlich auch Speis und Trank gibt und selbst gebackene Kuchen, die die Angehörigen der behinderten Mitarbeiter zugunsten der Lebenshilfe spendieren. Die lange Schlange, die am Buffet steht und in die sich auch Geschäftsführer Peter Koch eingereiht hat, zeugt von der Qualität der Backwaren. Koch ist zufrieden mit dem Besuch und dem gesamten Ablauf in den Werkstätten. Das Personal hat auch gefreut, dass Neuburgs Oberbürgermeister Bernhard Gmehling am Vormittag wieder wie jedes Jahr zur Eröffnung gekommen ist. Es zeige die Verbundenheit der Stadt mit der Einrichtung. Eine Mitarbeiterin sei sogar in der Stadtgärtnerei tätig, erzählt Uwe Stelzer, Pressesprecher und Integrationsbeauftragter. Insgesamt sind 21 Mitarbeiter im Außeneinsatz. "Seit 2010 haben wir schon sieben Leute auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermitteln können", berichtet Stelzer.

Wer das nicht schafft, findet in den Werkstätten einen guten Arbeitsplatz. Harald Weigl, der seit 1992 bei der Lebenshilfe beschäftigt ist, lobt das gute Klima. Er leitet Menschen mit Behinderungen an. "Die sind alle sehr qualitätsbewusst", berichtet er. Sie kämen gerne in die Arbeit und hätten am liebsten gar keine Betriebsferien. 200 Behinderte arbeiten in Neuburg an der Nördlichen Grünauer Straße. Unter anderem fertigen sie Schalthebelverkleidungen für Audi, 3000 Stück pro Woche. Dabei geht es sehr genau und Weigl freut sich über die zuverlässige Truppe, die da am Werk ist. "Wir haben äußerst wenig Reklamationen. Da wären andere Betriebe froh", versichert Weigl. Weitere Teile für die Autoindustrie sind Aktivkohlebehälter, die zusammengeschraubt werden oder Ölfilter, von denen in den vergangenen zehn Jahren 20 Millionen Stück die Werkstätten in Neuburg verlassen haben.

Schreinermeister Gerhard Augustin hat sechs Mitarbeiter, die hauptsächlich Möbel fertigen, einen Großteil für die Lebenshilfe selbst, aber auch für Kunden. "Bei Einbaumöbeln sind wir gut im Preis", wirbt der Handwerksmeister mit der sonderpädagogischen Zusatzausbildung. Seine Mitarbeiter werden geschult und so kam es in den vergangenen 20 Jahren trotz gefährlicher Maschinen noch zu keinem gravierenden Unfall. In einem anderen Raum stehen Webstühle. Hier entstehen Teppiche in Größen und Farben nach Wunsch der Kundschaft. Jeder kann kommen, um sich einen Teppich anfertigen zu lassen. "Bei den Mitarbeiterin hier ist das ein perfektes Zusammenspiel", erklärt Weigl. Anders ließe sich an einem der großen Webstühle nicht arbeiten.