Ingolstadt
"Da läuft etwas gehörig schief!"

Frauentag des DGB: Tamara Hübner von der IG Metall hält kämpferische Rede - Dazu "Betreutes Kabarett"

08.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:05 Uhr
Kämpfen und Selbstverteidigung gelernt haben Frauen von den UDI bei der Ladies Night in der Oyakata-Kampfsportakademie von Trainer Atila Dikilitas. −Foto: Eberl

Ingolstadt - Jung, weiblich, bevollmächtigt: Tamara Hübner (kleines Foto) hat bei der IG Metall eine Führungsposition inne.

Aber meist dominieren in den oberen Etagen der Gewerkschaften die Anzugträger, und die junge Frau hat erlebt, dass sie für die neue Assistentin eines Betriebsrats gehalten wird. Bei der DGB-Veranstaltung zum Internationalen Frauentag erzählt sie, wie sehr sie es genießt, die Kollegen dann aufzuklären, wer sie ist: die 2. Bevollmächtigte der IG Metall Ingolstadt.

Und Reden halten kann sie auch, davon kann sich das Publikum überzeugen: Hübner wettert gegen Trump, Erdogan, Putin, Orban und Bolsonaro. Wenn privilegierte Männer die Schlechterstellung von Frauen als biologische Konsequenz und Gleichstellung als "Genderwahn" diffamierten, dann liefen die Uhren rückwärts und nicht vorwärts, so Hübner.

Im kürzlich erschienenen "Global Gender Gap Report 2020" sei Deutschland zwar eine Verbesserung attestiert worden, doch im Bundestag sehe es nicht gut aus mit nur 30 Prozent Parlamentarierinnen. "Wenn im deutschen Bundestag heute weniger Frauen sitzen als vor 20 Jahren", sagt die Metallerin, "dann läuft etwas gehörig schief! Das liegt übrigens nicht zuletzt an der AfD mit einem Frauenanteil von gerade einmal 11 Prozent".

Frauen gleiche Chancen einzuräumen sei ein Gebot der Vernunft, und die Digitalisierung biete da große Möglichkeiten wie Home Office oder flexible Arbeitszeitmodelle auch im Schichtbetrieb. "Doch in der Arbeitswelt sind wir leider noch weit entfernt von einer vollständigen Gleichstellung", kritisiert Hübner und rät: "Bescheidenheit ist eine wunderbare Tugend - aber niemals in Gehalts- oder Beförderungsgesprächen. "

Momentan verdienen Frauen im Schnitt pro Stunde 21 Prozent weniger als Männer: "Das heißt, die ersten 77 Tage eines Jahres arbeiten Frauen, ohne etwas zu verdienen. " Daher der Equal Pay Day am 17. März.

Es sei jedoch nicht so, dass das Leben der Frauen 21 Prozent billiger wäre, bemängelt die Gewerkschafterin. Im Gegenteil: Gesichtscreme sei teurer, und der Kostenvoranschlag in der Kfz-Werkstatt falle oft auch höher aus bei einer Frau. "Ich habe auch noch nie verstanden, warum die Reinigung einer Bluse doppelt so teuer ist wie für ein Männerhemd",sagt Hübner. "Das ist Sexismus an der Kasse. "

Immerhin - es gibt auch gute Nachrichten. "Ich freue mich, dass ab April die zweite Frau im Vorstand der Audi AG bei uns in Ingolstadt antreten wird", so Hübner, "und sie ist sogar noch eine ausgewiesene Metallerin". Die IG Metall habe ihren Teil dazu beigetragen, dass die Quote in Aufsichtsräten Wirklichkeit werde. "Wir fordern von den Arbeitgebern, dass sie nun ihren Teil dazu beitragen. "

Nach dieser von viel Beifall bedachten Rede bietet Christine Rothacker "Betreutes Kabarett". Als polnische Pflegekraft in engem Kittel und Stützstrümpfen legt sie einen urkomischen Auftritt hin - allerdings bleibt einem manchmal das Lachen im Halse stecken, denn heutzutage wird Satire bisweilen von der grausigen Wahrheit eingeholt oder sogar überholt.

Erst einmal teilt Frau Klitscherova großzügig Pillen im Publikum aus - gegen Corona-Panik. Dann fragt sie: "Heute schon mit jemandem gesprochen? Kleine Toilette mit Reden ist wie große Toilette. " Gottlob sei das Essen im Heim so billig, dass man kein Personal zum Verteilen brauche: "Den Fraß will ohnehin keiner - noch schlimmer als der von der Polin. "

Pflege könne man aber nicht wegdigitalisieren, "denn wenn es piept, wenn die Windel voll oder das Glas leer ist, muss trotzdem jemand hingehen". Also die Oma daheim pflegen? "Mutti-Tasking", höhnt die Kabarettisten. "Wollt ihr die totale Überforderung? Und alle Frauen schreien Ja. Ist doch schön, diese totale Hingabe. Und dann noch fleischlos essen und Organe spenden. "

Dann wird es ernst: "Wo bleibt das Bundesverdienstkreuz für die Pflegerin, mindestens 25 Euro pro Stunde und Dienstwagen? Das Geld wäre da, wenn es nicht für eine Flughafenruine oder die Maut draufgehen würde. "

An den Info-Ständen im Theater präsentieren Vereine und Organisationen ihre Arbeit. Darunter die IG Bau. Wie sieht es in der Branche mit der Gleichstellung aus? Eigentlich gut, sagt Gerlinde Bayer, Bauleiterin in Altersteilzeit, Ex-Betriebsratsvorsitzende und Ex-Aufsichtsrätin bei HochTief. "Der Bau boomt, alle Firmen sind ausgelastet. " Es gebe viele Frauen im Bauhauptgewerbe. "Zu 95 Prozent kriegen sie die gleiche Bezahlung wie Männer", erklärt Bayer. "Früher war es schwierig, sich zu behaupten. Du musst als Frau zeigen, dass du was kannst, musst es ihnen vormachen. " Ihr Rat an Frauen: "Mutig sein! "

DK

Suzanne Schattenhofer