Berlin
CSU-Vize Weber: Ohne Begrenzung der Zuwanderung kein Koalitionsvertrag - "Das muss auch mit der SPD möglich sein"

16.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr

Berlin (DK) CSU-Vize Manfred Weber hat die SPD vor den anstehenden Sondierungsgesprächen in Berlin zum Einlenken im Streit über die Flüchtlingspolitik aufgerufen. "Eine fixe Begrenzung der Zuwanderer und ein Stopp des Familiennachzuges – das hätten auch die Grünen akzeptiert. Das muss auch mit der SPD möglich sein", sagte Weber der Passauer Neuen Presse (Samstagausgabe). "

Auch sie muss Antworten geben auf die Sorgen der Menschen, dass der Staat noch einmal die Kontrolle verlieren könnte und überfordert wäre. Die Begrenzung der Zuwanderung auf ein erträgliches Maß ist die Kernforderung der CSU, das muss sich in Koalitionsvereinbarungen wiederfinden", stelle Weber klar.
 
Der stellvertretende CSU-Vize warb für das Schwarz-Rote Bündnis im Bund. "Ich will die Große Koalition, wenn der Rahmen passt. Auch aus europäischer Perspektive braucht Deutschland dringend eine stabile Regierung. Das geht nur mit einer klaren Koalitionsvereinbarung und der Zusage, dass die SPD wirklich mitregieren will." Eine klare Absage erteilte Weber der Forderung der SPD nach einem Eurozonen-Budget, wie es auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgeschlagen hat: "Wir müssen Europa stärken, darin sind sich CDU, CSU und SPD völlig einig. Über den Weg muss gerungen werden. Die Einführung eines mit Milliarden ausgestatteten Eurozonen-Budgets für neue Transferzahlungen ist der falsche Ansatz. Das würde Europa spalten und nicht zusammenführen!"
 
Die CSU rief Weber nach dem harten Machtkampf zwischen Parteichef Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder zur Geschlossenheit auf. „Alle wissen, dass es nur miteinander gelingen kann. Nur als Team können wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und einen erfolgreichen Landtagswahlkampf führen.“
 
Herr Weber, der CSU-Parteitag will heute die Doppelspitze mit Horst Seehofer als Parteichef und Markus Söder als künftigem Ministerpräsidenten installieren. Ist Seehofer dann nur noch ein Parteichef auf Abruf?

Manfred Weber: Nein! Wir haben mit Horst Seehofer und Markus Söder zwei starke Führungspersönlichkeiten. Horst Seehofer wird heute als Parteichef wiedergewählt werden. Wir werden jetzt die Reihen schließen und die Themen und Sorgen der Menschen in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.

Der Konkurrenzkampf hat die Partei vor die Zerreißprobe gestellt. Droht der Burgfrieden jederzeit wieder aufzubrechen?

Weber: Alle wissen, dass es nur miteinander gelingen kann. Nur als Team können wir verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen und einen erfolgreichen Landtagswahlkampf führen. Notwendig dafür ist auch, dass wir die Ziele, die wir im Wahlkampf formuliert haben, bei möglichen Koalitionsverhandlungen in Berlin durchsetzen.

Sie gelten als liberaler „Anti-Söder“ mit Ambitionen auf den Parteivorsitz nach der Ära Seehofer. Bahnt sich hier schon ein neuer Machtkampf an?

Weber: Nein, wir wollen und werden miteinander arbeiten. Ich bin Teamspieler und setze mich auf europäischer Ebene für die CSU und Bayern ein. Das ist meine Rolle.

Nach der Demütigung durch Horst Seehofer vor zwei Jahren ist Angela Merkel erstmals wieder beim CSU-Parteitag aufgetreten. Eine Höflichkeitsgeste?

Weber: Die Migrationspolitik hatte die Schwesterparteien entfremdet, Hunderttausende von Flüchtlingen waren ohne Kontrolle nach Deutschland gekommen. Der Kompromiss von CDU und CSU in der Migrationspolitik hat diesen Streit beendet. Wir wollen gemeinsam die Zuwanderung begrenzen und kontrollieren. Schon bei den Jamaika-Gesprächen hat sich gezeigt, dass wir uns auf die Kanzlerin verlassen können.

Geht der Unions-Streit von vorne los, wenn in Koalitionsverhandlungen mit der SPD keine Obergrenze und kein Stopp für den Familiennachzug vereinbart werden kann?

Weber: Eine fixe Begrenzung der Zuwanderer und ein Stopp des Familiennachzuges – das hätten auch die Grünen akzeptiert. Das muss auch mit der SPD möglich sein. Auch sie muss Antworten geben auf die Sorgen der Menschen, dass der Staat noch einmal die Kontrolle verlieren könnte und überfordert wäre. Die Begrenzung der Zuwanderung auf ein erträgliches Maß ist die Kernforderung der CSU, das muss sich in Koalitionsvereinbarungen wiederfinden.

Sollte die Union der SPD in Sachen Bürgerversicherung entgegenkommen?

Weber: Wir müssen aufeinander zugehen, aber bei der Bürgerversicherung kann ich mir das nicht vorstellen. Das hat keine Priorität für die Bürgerinnen und Bürger, wenn es um soziale Fragen und Gerechtigkeit geht. Ihnen sind andere Themen wichtig, wie die Stärkung der ländlichen Räume oder die hohen Wohnungskosten in Städten. Ich will die Große Koalition, wenn der Rahmen passt. Auch aus europäischer Perspektive braucht Deutschland dringend eine stabile Regierung. Das geht nur mit einer klaren Koalitionsvereinbarung und der Zusage, dass die SPD wirklich mitregieren will.

Die SPD steht hinter dem Vorschlag von Frankreichs Präsident Macron nach einem Budget für die Eurozone. Warum sträubt sich die CSU dagegen?

Weber: Wir müssen Europa stärken, darin sind sich CDU, CSU und SPD völlig einig. Über den Weg muss gerungen werden. Die Einführung eines mit Milliarden ausgestatteten Eurozonen-Budgets für neue Transferzahlungen ist der falsche Ansatz. Das würde Europa spalten und nicht zusammenführen!

Gespalten ist Europa in der Flüchtlingsfrage. Die Osteuropäer nehmen keine Flüchtlinge auf. Ist eine verbindliche Quote endgültig gescheitert?

Weber: Die Flüchtlingsfrage ist eine der offenen Wunden der EU, die in den kommenden Monaten geschlossen werden muss. Das wird nur gehen, wenn die mittelosteuropäischen Staaten begreifen: Es gibt keine Solidarität à la carte. Sie können sich nicht die Rosinen rauspicken und die anderen Länder mit den Flüchtlingen alleine lassen. Wir brauchen Solidaritätsmechanismen.

Kann sich Osteuropa mit Geld aus der Verantwortung kaufen?

Weber: Die Visegrad-Staaten haben finanzielle Unterstützung angeboten, um anderen Ländern zu helfen. Es ist das erste Mal, dass sie bei der Migration konstruktiv mitarbeiten und einen Beitrag leisten wollen. Ich begrüße das. Ob es reicht, wird man diskutieren müssen.

Der EU-Gipfel gibt grünes Licht für Phase zwei  der Brexit-Verhandlungen. Ist ein harter Brexit  abgewendet?

Weber: Wir sind vorangekommen, die britische Regierung hat sich auf uns zu bewegt. Das größte Problem beim Brexit ist das politische Chaos in London. Die Briten spüren mehr und mehr, dass der Ausstieg aus der EU massiven Schaden für sie verursachen wird, und jetzt ringt das Land noch immer mit der Frage, wie es mit dem Brexit-Votum umgehen soll. Die EU ist bereit, vernünftige Lösungen zu finden. Für eine einvernehmliche Scheidung muss London jetzt sagen, wie es sich die Zukunft vorstellt.