München
CSU verteidigt Grenzpolizei

Herrmann reagiert auf Gutachten, das die neue Behörde als rechtswidrig einstuft

22.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:45 Uhr
Seit Juli kontrolliert auch die bayerische Landespolizei an den Grenzübergängen wie hier in Kirchdorf. −Foto: Mirgeler/dpa

München (DK) Sind die Kontrollen der neuen bayerischen Grenzpolizei verfassungswidrig?

Das legt ein Gutachten nahe, das die Grünen in Auftrag gegeben haben. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) widerspricht.
Das Gutachten der Hochschulprofessoren Thorsten Kingreen (Regensburg) und Sophie Schönberger (Düsseldorf) kommt zu dem Schluss, "die Errichtung einer bayerischen Grenzpolizei mit den ihr parallel zur Bundespolizei zugewiesenen Aufgaben und Befugnissen untergräbt die föderale Kompetenzverteilung im Bereich des Grenzschutzes. Sie stellt damit zugleich die durch das Demokratieprinzip geforderte Zuordnung von politischer Verantwortung und die rechtsstaatlich notwendige Bestimmtheit und Klarheit der Kompetenzordnung in Frage". Bayern habe keine Gesetzgebungskompetenz für das Grenzschutzrecht, konstatieren die Gutachter. Der Freistaat habe auch keine Verwaltungskompetenz und daraus resultierende organisationsrechtliche Gesetzgebungskompetenz "für die Errichtung und Unterhaltung einer eigenen bayerischen Grenzschutzpolizei".
Die Kritik sei "unbegründet und konstruiert", widersprach Herrmann gestern. In welcher Form sich die bayerische Polizei organisiere, liege ausschließlich in der Kompetenz Bayerns - das habe "auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bestätigt". Tatsächlich sei zwar der Grenzschutz Aufgabe des Bundes, doch Paragraf 64 des Bundespolizeigesetzes besage, dass Polizeivollzugsbeamte eines Landes auf Anforderung oder mit Zustimmung der zuständigen Bundespolizeibehörde Amtshandlungen zur Wahrnehmung von Aufgaben der Bundespolizei vornehmen könnten. Dies sei "auf Grundlage einer ergänzenden Vereinbarung mit dem Bundesinnenministerium" der Fall.
So würden etwa an den Flughäfen in Nürnberg und Memmingen die entsprechenden Bundespolizei-Aufgaben von bayerischen Polizisten wahrgenommen - auf Grund einer Vereinbarung aus den 50er-Jahren, die er und der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) 2008 neu gefasst hätten. Bayerische Bereitschaftspolizisten würden die Grenzkontrollen der Bundespolizei an den Autobahnen A3, A8 und A93 unterstützen - auf Grund einer ausdrücklichen Bitte des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière (CDU). Und die neue bayerische Grenzpolizei sei eben ermächtigt, "in Absprache und im Auftrag der Bundespolizei selbstständig Kontrollen durchzuführen" - auf Grund einer Vereinbarung vom zurückliegenden Juli.
Durchaus Recht hätten die Gutachter, so Landespolizeipräsident Wilhelm Schmidbauer, mit der Forderung, dass die Verantwortlichkeit feststehen müsse. Das aber, so Herrmann, sei ja klar geregelt: So, wie die bayerische Grenzpolizei vom Bund gebeten werden könne, "in der Verantwortung der für Grenzkontrollen zuständigen Bundespolizei" tätig zu werden, würden umgekehrt die Landespolizeien quer durch alle Bundesländer, etwa bei Großdemos, die Bundespolizei zur Unterstützung anfordern - dort hätten dann die Landespolizeien die Einsatzleitung.
Die Gutachter freilich lassen derlei nicht gelten: Insbesondere die Vereinbarung vom Juli zur bayerischen Grenzpolizei kritisieren sie - weil es gar keine richtige Vereinbarung, geschweige denn ein Bundesgesetz gebe, sondern nur eine Absichtserklärung "zwischen dem Landespolizeipräsidenten der Bayerischen Polizei, einer Abteilungsleiterin des Bundesministeriums des Innern und dem Präsidenten des Bundespolizei- präsidiums". Diese Erklärung halte zudem nur fest, wie die Tätigkeiten der Bundes- und der Landespolizei koordiniert werden, nicht aber, "dass der Bund Zuständigkeiten des Grenzschutzes auf den Freistaat Bayern überträgt". Der Paragraf 64 des Bundespolizeigesetzes, auf den sich Bayern beruft, sei "allein als Vorschrift über die Amtshilfe ausgestaltet" - lasse aber noch keine organisatorische Gründung einer eigenen Grenzpolizei zu.
Die Landtags-Opposition kritisierte die bayerische Grenzpolizei als "Wahlkampf-Rohrkrepierer", so Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. SPD-Fraktionsvize Horst Arnold sprach von einer "reinen Marketing-Aktion von Ministerpräsident Markus Söder", die abgeschafft werden müsse.

Alexander Kain