CSU-Delegiertenversammlung zur Wahl der Bundestagsliste in Germering

07.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:11 Uhr

Germering (DK) Es war ein langer Applaus der Delegierten für Joachim Herrmann, anschwellend, immer stärker, schließlich rhythmisch. Und das schon bei der Begrüßung am Samstagvormittag in der Stadthalle in Germering bei München, wohin die CSU-Delegierten aus dem gesamten Freistaat kamen, um die Kandidatenliste für die Bundestagswahl im Herbst zu verabschieden. „Ich wollte nur den organisatorischen Hinweis machen, dass wir noch eine Wahl haben - aber wir können auch nach Applaus…“, ulkte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, oberster Organisator des Events.

Das lange Überlegen des CSU-Parteivorsitzenden über die eigene Zukunft und die Aufstellung seiner Partei für die anstehenden Wahlherausforderungen - Bundestagswahl am 24. September, bayerische Landtagswahl im Herbst 2018 - hat sich offensichtlich gelohnt. Zumindest, was die Begeisterung der eigenen Leute für den Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl angeht. Der Applaus für Herrmann sollte sich am Samstag mehrmals wiederholen. Freilich, auch andere wurden mit Applaus bedacht. Seehofer selbst etwa, der ein paar Anmerkungen zu den anstehenden Herausforderungen machte.
 
Oder die Chefin der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, die nach 30 Jahren Politik in Bonn und Berlin die Bühne der Bundespolitik im September verlassen wird - sie wurde schon mal vorab für ihr Lebenswerk im Dienste ihrer Partei gewürdigt, obwohl es die CSU mit der Kanzlerversteherin nicht immer einfach hatte, genausowenig übrigens, wie es Hasselfeldt mit der Bayern-CSU immer einfach hatte. Es ist halt einfach, in München großspurig zu reden, etwas anderes, derlei in Berlin umzusetzen. Reicht in München Rhetorik, so kommt es in Berlin auf Klugheit an. Joachim Herrmann wird nun aller Voraussicht nach die Bühne wechseln, von München nach Berlin. Ein Wechsel von der Landes- in die Bundesliga. Bundesinnenminister soll er werden, ohne dass Seehofer das so explizit sagt - weil ja schließlich die Wähler entscheiden würden und die nichts weniger schätzten, als die Verteilung der Felle noch nicht erlegter Bären.
 
Warum Herrmann der richtige Mann dafür ist, begründete Seehofer in seiner Rede vor der Germeringer Delegiertenversammlung gleichwohl deutlich: Erstens habe Herrmann als bayerischer Innenminister eine politische Bilanz vorzuweisen, die bundesweit einmalig sei. Zweitens sei Herrmann einer, dem es nicht auf die Lautstärke ankomme, sondern der Lautstärke und Klugheit in Einklang zu bringen vermöge - was ihm in Berlin heute schon Respekt verschaffe. Und drittens sei Herrmann das Gesicht, das bundesweit für das Thema Innere Sicherheit stehe. „Man fühlt sich bei Dir geborgen und in Sicherheit“, schwärmte Seehofer. Und es sei ja schließlich das eine, gescheite Programme zu formulieren, aber das andere, ob man dazu auch glaubwürdige Gesichter präsentieren könne. Herrmann, so Seehofer, sei das Angebot der CSU in Sachen Innere Sicherheit. Dass verfing schon im CSU-Vorstand vor einer Woche, in dem Seehofer seine Zukunftspläne und das Personaltableau präsentierte, das verfing in der öffentlichen Resonanz, und es verfing offenkundig auch bei den Delegierten in Germering.
 
Warum also nicht bei den Wählern? Zwar hätte es, davon darf man ausgehen, keiner Bewerbungsrede des angehenden CSU-Spitzenkandidaten Herrmann mehr bedurft, gleichwohl: Eine schöne Gelegenheit, schon mal eine Visitenkarte, eine politische Positionierung abzugeben. „100-prozentige Sicherheit kann keiner versprechen - aber mehr Sicherheit ist möglich“, befand Herrmann. Im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen etwa würden bestimmte Straftaten nicht um ein paar Prozent häufiger geschehen als im von ihm verantworteten Bayern, sondern um einen ganzen Faktor öfter - fünfmal mehr Einbrüche etwa als im Freistaat. Während andernorts die Polizeikräfte reduziert worden sei, habe Bayern zugelegt. Und ohnehin seien viele Köpfe und hervorragende Sachausstattung der Polizei nur das eine - es sei „von Bedeutung“, dass die politische Führung eines Landes auch hinter ihrer Polizei stehe.
 
In Bayern sei das der Fall, in anderen Bundesländern vermisse er das. Und neben dem Kampf gegen Kriminalität gehe es auch noch um etwas ganz anderes, machte Herrmann deutlich: „Wir kämpfen dafür, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt“, „wir kämpfen für einen starken Staat, der seine Grenzen schützt“, man kämpfe dafür, dass sich 2015 - also die Flüchtlingskrise in Deutschland - nicht wiederhole, und man kämpfe gegen den politischen Islam, bei dem es nicht um ein paar Terroristen mit ihren Bomben gehe, sondern um einen Kampf für unsere Freiheitsideale. „Wenn die Toleranten zu lange tolerant sind gegen die fanatisch Intoleranten, dann könnte der Tag kommen, an dem die Intoleranten die Macht übernehmen“, schmetterte Herrmann in die - begeisterte - Stadthalle und hieb auch gegen den politischen Gegner: „Wir brauchen nicht mehr Würselen (Anm. D. Red.: der Ort, aus dem SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kommt) in Berlin, wir brauchen mehr Bayern in Berlin.“ Langer Applaus. Schon beim Eintreffen hatte Herrmann kundgetan, für seinen Kurs nicht nur in Bayern, sondern „aus ganz Deutschland“ für die „bayerischen Rezepte“ zu bekommen. Von 255 abgegeben Stimmzetteln war einer ungültig, vier sprachen sich gegen Herrmann aus - 98 Prozent der Stimmen für den neuen Spitzenkandidaten der CSU für die Bundestagswahl im Herbst.
 
Wenn man so will, dann hat die CSU die Weichen gestellt, einen beliebten Innenminister nach Berlin zu schieben - und feierte das mit einem langen Applaus. Seehofer kam auf die Bühne, klopfte Herrmann auf die Schulter, der hob beide Daumen empor. Seehofers Plan ist aufgegangen. Herrmann als den starken neuen Mann der CSU neben Seehofer zu bezeichnen, wäre sicher nicht falsch. Wie der ebenfalls anwesende Markus Söder in dem Moment geschaut hat, ist nicht überliefert. Seehofer hatte in seiner Rede ebenfalls ein paar Blöcke eingeschlagen - zwar nahm er dabei das Wort Obergrenze (über die es mit der Kanzlerin weiter Streit gibt, für die Seehofer aber mit einer Zahl von maximal 200.000 pro Jahr nicht weniger als „garantiert“) nicht in den Mund, machte aber klar, dass die CSU von ihren Positionen der vergangenen zwei Jahre nicht abrücke. Auch wenn mit Merkel wieder Friede, Freude und Einigkeit herrsche. Zumindest bis zu den Koalitionsverhandlungen, so die Union nach der Bundestagswahl in Berlin mitzureden hat.
 
Dass der Doppelpass weg müsse (das will sogar die CDU, aber auch hier bockt Merkel), machte er deutlich - und viele andere Punkte sind ohnehin klar, etwa bundesweite Volksabstimmungen, niedrigere Steuern, mehr Geld für Familien. Im Juli werde man sich mit der CDU auf ein gemeinsames Grundsatzprogramm einigen, für Bayern aber in den abweichenden Positionen einen Bayernplan erstellen. Applaus. In Blöcken verabschiedeten die Delegierten die weiteren Listenplatz bis Platz 40, angeführt - also auf dem Wahlzettel für die Wähler sichtbar - wird die Liste neben Herrmann von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (der als heißer Anwärter auf die Nachfolge von Hasselfeldt als CSU-Landesgruppenchef gehandelt wird, aber mit einer Gegenkandidatur von Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich rechnen muss), Bundesstaatssekretärin Dorther Bär, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer und Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. Die Positionen hatte der CSU-Vorstand zuvor ausgekugelt - und die Delegierten sahen in Germering keinen Grund, daran zu rütteln.
 
Die Positionen 40 bis 75 wurden - nach jeweils kurzer Vorstellung der Kandidaten - in einem freien Rennen entschieden. Aber ob nach der Bundestagswahl überhaupt Listenkandidaten zum Zuge kommen, hängt vom Zweitstimmen-Wahlergebnis ab. Ohnehin erobert die CSU traditionell ihre Bundestagsmandate per Erststimme im Wahlkreis. Immerhin: Viele Listenkandidaten haben auch einen Wahlkreis, hintere Listenkandidaten haben im Falle eines Falles - also im Falle eines hervorragenden CSU-Wahlergebnisses - durchaus Chancen. „140 Tage bis zur Bundestagswahl“, mahnte der neue Superstar der CSU, Joachim Herrmann, die Delegierten gestern - wer für ihn gestimmt habe, habe sich damit auch verpflichtet, von nun an zu kämpfen. Und Seehofer empfahl den seinen: „Urlaub sollte es heuer nicht geben“, stattdessen sei Wahlkampf angesagt.