Geisenfeld
Cooler Look, perfekter Klang

Richard James Winter baut einzigartige Slide- & Blues-Gitarren – aus Müll und Küchenutensilien

22.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:21 Uhr

 

Geisenfeld (GZ) Penibel schleift Richard James Winter den Gitarrenhals in Form. Grob und kantig wirkt das gute Stück. Dann zwickt er kleine Teile von seiner Bunddraht-Rolle ab und blickt konzentriert auf sein Tabellen-Blatt. „Die Länge des Halses und die Abstände zwischen den Bünden hängen voneinander ab. Das ist kompliziert – aber zum Glück gibt’s Internet“, sagt er, lächelt breit und legt seine neueste Kreation erst einmal zur Seite.

In einem Geisenfelder Hinterhof versteckt sich Winters kleine Werkstatt. Kein Schild an der Einfahrt in der Maximilianstraße deutet darauf hin, dass nur einige Meter weiter ein Künstler am Werk ist. Ein Musiker natürlich auch. Richard James Winter verkörpert beide Seiten. Und mit seinen „Elmfield-Guitars“, wie er die skurrilen Slide- & Blues-Gitarren aus seiner Werkstatt nennt, will er mit seiner oftmals brotlosen Kunst endlich den Sprung in die kreative Selbstständigkeit schaffen.

„Ich hasse den Computer mittlerweile“, raunzt er in seinem breiten englischen Dialekt herüber. Dabei kann ihn der 46-Jährige durchaus bedienen. Als Online-Designer verdient er seinen Lebensunterhalt, entwirft Homepages für kleinere und mittelgroße Unternehmen – und lebt gut davon. Trotzdem soll dieser Lebensabschnitt bald ein Ende haben. Anstelle von Mouse und Tastatur treten seit anderthalb Jahren mehr und mehr Holzlatten, Schleifpapier, Meisel, Drähte und – jetzt kommt’s – alte Küchensiebe, Schüsseln, Blechbecher, Gullysiebe oder auch mal ein antikes Transistorradio. Keine Elmfield-Guitar gleicht der anderen. Jede ist ein Unikat. „Die Körper bestehen aus allem Möglichen, was ich auf der Müllkippe finde“, sagt Winter.

Sein Blick zurück ist bewegt. Wie es Winter ausgerechnet nach Geisenfeld verschlagen hat, wirkt zufällig. Geboren wurde er auf der gerade mal 130 000 Einwohner zählenden südenglischen Isle Of Wight. „Die kennt kein Mensch hier“, sagt er und bittet darum, dass seine Heimat zumindest nicht mit den Kanalinseln verwechselt wird. Seine Mutter und vier Brüder leben noch heute dort. Nur Richard James hat sich mit 21 Jahren verabschiedet. Sein Kontakt in die Heimat ist selten und meist kurz. „Schließlich habe ich sie nicht verlassen, um eine große Karriere zu starten, sondern um Musik zu machen“, erklärt er sein zwiespältiges Verhältnis. Winter spielt Gitarre, singt – und wandelt musikalisch auf den Spuren von Tom Waits. Den Sprung in die große, weite Welt hat er zusammen mit dem Geigenspieler Roland Richardson gewagt.

Die beiden gingen erst nach London – und später nach Österreich. „Irish, Pop, Rock, wir haben alles gespielt, was Geld brachte“, erinnert sich der Musiker zurück. Das war hartes Brot, und irgendwann erkannte der Engländer, dass er das wohl auf Dauer nicht aushalten würde. „Ich zog nach München, ließ mich zum Webdesigner ausbilden und arbeitete sogar als Dozent an der Hochschule“, lässt er seine zweite Karriere Revue passieren. Stolz ist er darauf nicht. „Es ging nicht anders, es geht bis heute nicht anders – aber ich suche einen neuen Weg“, sagt er.

Ein Kumpel hat ihn vor knapp zwei Jahren, als Winter gerade nach Geisenfeld gezogen ist, „um etwas Miete zu sparen“, auf die Zigarrenbox-Gitarren gebracht. Auf diesen haben sich die Sklaven in Amerika früher den Frust von der Seele gespielt. „Auf dieser Vorlage basieren meine Kreationen. Jetzt muss ich mir nur noch einen Namen machen“, sagt der 46-Jährige. Im Internet unter www.elmfield-guitars.de vertreibt er sie – und natürlich auf der persönlichen Schiene. Winter kennt viele Musiker, und seine Kollegen melden sich regelmäßig bei ihm. Andreas Kellner (von der Band Kellner) hat ihm eine „Elmfield“ abgekauft. Er soll nicht der letzte Kunde mit einem großen Namen bleiben. „Der coole Look ist wichtig. Aber noch entscheidender ist, dass sie sich perfekt anhören, etwas aushalten und gut zu spielen sind“, bringt er seine Philosophie auf den Punkt.

Ganz hat der Engländer seinen Ursprung übrigens doch noch nicht vergessen. Der Stadtteil von Ryde, in dem Winter aufwuchs, hieß Elmfield. „Übersetzt Eichenfeld. Ich brauchte etwas Erdiges, da bot sich das an“, sagt er dennoch lapidar. So ganz nimmt man ihm das nicht ab. Die Rückbesinnung auf die Gitarre ist auch ein Stück alte Heimat für den Geisenfelder, den der eine oder andere wohl auch rund um Pfaffenhofen bald als Musiker kennenlernen wird.

Früher spielte er neben seiner Solokarriere auch in den Bands Colourblind (Salzburg) und Lovepirate (München) – und jetzt probt er seit einigen Monaten mit bekannten Musikern aus der Region in Niederscheyern. Die „Men in Hats“, so ihr Projektname nehmen gerade einige Demostücke auf. „Wir haben Zukunft. Da kann was draus werden“, prophezeit Winter – und glaubt nach wie vor fest an die Musik.