Ingolstadt
"Chaos ist Leben, Chaos ist Realität"

27.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:09 Uhr
Auf Solo-Pfaden; Judith Holofernes hat nach vielen Jahren mit "Wir sind Helden" ihr zweites Album veröffentlicht. Morgen tritt sie mit ihrer neuen Band in Ingolstadt auf. −Foto: Sensche

Ingolstadt (DK) Judith Holofernes spricht im Interview mit dem DONAUKURIER über Meditation, die Färöer-Inseln und ihr Konzert am Donnerstag in der Halle neun in Ingolstadt.

Frau Holofernes, Ihr aktuelles Album heißt "Ich bin das Chaos". Wie kam es zu diesem Titel?

Judith Holofernes: Ich hatte in den vergangenen Jahren das Gefühl, dass viele Leute mit innerem und äußerem Chaos zu tun haben - und viel mit der Angst zu kämpfen haben, die das auslöst. Gleichzeitig bin ich seit frühester Kindheit sehr gut mit dem Chaos befreundet, und als Künstlerin muss ich das auch sein. Diese Spannung hat mich fasziniert.

Dann ist Chaos nicht bedrohlich, sondern kreativ?

Holofernes: Beides! Chaos ist Leben, Chaos ist Realität, und trotzdem stecken wir alle so viel Energie in seine Zähmung.

Sie beherrschen auch buddhistische Meditation. Welche Kraft ziehen Sie daraus?

Holofernes: Ich meditiere im Moment viel weniger, als ich eigentlich gerne würde. Die Meditation war für mich immer ein wichtiger Anker in meinem eher unsteten Leben, aber mit dem zweiten Kind hat es mich ein bisschen aus dem Sattel gehauen. Ich arbeite dran! Trotzdem ist die buddhistische Praxis für mich die Grundlage für alle Entscheidungen in meinem Alltag und mir immer noch eine große Unterstützung.

Nun ist Meditation ja nicht nichts tun. Was machen Sie, wenn Sie nichts tun?

Holofernes: Ich sitze tatsächlich gerne auf meinem Sofa oder an meinem Fenster und gucke einfach so vor mich hin! Manchmal stundenlang. Wenn Hunde vorbeilaufen, hilft das, aber zur Not gucke ich auch den Blättern beim Fallen zu.

Es ist Ihr zweites Solo-Album nach der Zeit mit den "Helden". Wie war die Arbeit daran?

Holofernes: Die Arbeit zu den Alben war sehr unterschiedlich, aber beide Male eigentlich sehr leicht und freudig. Das erste, "Ein leichtes Schwert", hatte diese Unschuld eines Neuanfangs, den eigentlich keiner erwartet, das war sehr frei und hat mir viel Spaß gemacht. Das zweite Album hatte dafür schon den Rückenwind, dass ich wusste, es gibt Leute da draußen, die sich freuen, dass ich weitermache. Und dazu habe ich ja bei "Ich bin das Chaos" mit einem wunderbaren Songwriter zusammen geschrieben: Teitur von den Färöern. Die Schreibphasen auf den Färöern gehören zu den schönsten Zeiten in meinem Leben, völlig unwirklich und verzaubert, zwischen Wikingern und Elfen, und dazu noch die Sonne, die nie untergeht. . .

Manche Lieder auf der neuen CD sind nachdenklich, melancholisch, andere durchaus lebensfroh. Sie selbst haben gesagt, dass Sie das Album in "hellen Farben, die vor dunklem Hintergrund erst richtig leuchten" sehen. Was meinen Sie damit?

Holofernes: Na ja, Teile des Albums sind schon sehr dunkel, ich mag es, in Tiefen runterzugehen, wo man sich ohne Stirnlampe vielleicht nicht hinwagen sollte! Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass das wichtigste, hervorstechendste Element die Freude ist, und die scheint, nicht nur in der Musik, eben um so heller, je dunkler der Hintergrund ist.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem färöischen Musiker Teitur? Die Inseln im Nordatlantik liegen nun nicht gerade im Zentrum der musikalischen Aufmerksamkeit?

Holofernes: Ich habe auf der Tour zu "Ein leichtes Schwert" ein Lied von ihm gecovert, "Catherine the Waitress" mit einem deutschen Text, als "Jonathan, der Kellner". Das ist ein semi-heimliches Langzeithobby von mir: Ich übersetze gerne meine Lieblingslieder ins Deutsche. Davon hat Teiturs Manager Wind bekommen, und der hat uns dann zum gemeinsamen Schreiben verkuppelt. Das war ein bisschen Seelenverwandschaft auf den ersten Blick, Teitur wurde schnell zu einem meiner wichtigsten Freunde.

Sie haben in Freiburg, wo Sie Ihre Jugend verbrachten, mit 14 Jahren schon Straßenmusik gemacht. Nun ist Ihr Sohn erst 12. Was würden Sie aber sagen, wenn es ihn in zwei Jahren auch auf die Straße ziehen würde?

Holofernes: Das würde ich ihm nicht ausreden! Straßenmusik zu machen ist eine tolle Schule, man lernt unheimlich viel darüber, ein Publikum zu gewinnen und zu halten, man kann sich toll ausprobieren - und sich als Teenager ein Taschengeld dazu verdienen, und das mit deutlich mehr Spaß, als wenn man bei einer Burgerkette am Schalter steht.

Was wird man in Ingolstadt hören? Sind auch "Helden"-Songs dabei?

Holofernes: Auf jeden Fall! Wir spielen Songs von beiden Soloplatten, mindestens einen der Songs von "Sing meinen Song" und auch ein paar "Helden"-Songs. Von den Helden spiele ich gerne die "heimlichen" Hits, also nicht wirklich die Singles, sondern eher die versteckteren Lieblingslieder. Bisher habe ich damit immer ganz gut ins Schwarze getroffen, die Leute freuen sich immer sehr! Und ich suche Songs aus, die meiner neuen Band gut stehen: Das, was ich jetzt mache, ist ja sehr mit den "Helden" verwandt, aber doch auch ganz anders. Ein bisschen weniger "Faust hoch", dafür ein bisschen mehr Hüftschwung. Und durch die drei Frauen in der Band können wir tolle Sachen mit Satzgesängen machen, die bei manchen Songs was ganz Wunderschönes, Neues reinbringen.

Die Fragen stellten Katrin Fehr und Anja Witzke.

Judith Holofernes tritt morgen, Donnerstag, um 20 Uhr in der Halle neun in Ingolstadt auf. Karten gibt es bei den DK-Geschäftsstellen und an der Abendkasse.

 ZUR PERSONJudith Holofernes, Jahrgang 1976, hat mit der Band "Wir sind Helden" Riesenerfolge gefeiert. Seit 2012 gehen die Bandmitglieder getrennte Wege. Die in Berlin geborene und in Freiburg aufgewachsene Sängerin, Musikerin und begnadete Texterin veröffentlichte 2014 ihr erstes Soloalbum, "Ein leichtes Schwert", 2017 das zweite, "Ich bin das Chaos".