Chance zum Neubeginn

26.06.2006 | Stand 03.12.2020, 7:46 Uhr

Nürnberg (DK) Wenn Lucius Grisebach, der Direktor des Staatsmuseums für moderne Kunst und Design in Nürnberg, sich im nächsten Jahr mit einer Ausstellung der besten Stücke seiner Sammlung in den Ruhestand verabschiedet, kann er das ganze Museum mit seinen insgesamt 2400 Quadratmetern bespielen. Denn die Designabteilung des einzigen bayerischen Staats-museums außerhalb Münchens muss für voraussichtlich ein bis zwei Jahre aus- oder ins Depot umziehen, weil die Regale einsturzgefährdet sind. Im Februar brachen Glasböden der Hochregale unter der Last der Exponate in sich zusammen – und seitdem sind einige Räume der Designabteilung aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Ein unglücklicher Zufall, zugleich aber auch ein unverhoffter "Glücksfall" für Grisebach, der immer nur einen geringen Bruchteil der insgesamt 2700 Bilder und Objekte der – in seinen Augen unterschätzten – Sammlung zeigen konnte. Dabei kann sich die ehemals Städtische Kunstsammlung, die Nürnberg als Morgengabe dem Staatsmuseum als Grundstock überließ, durchaus sehen lassen, zumal Grisebach noch als Leiter der Kunsthalle Nürnberg, später als Direktor des Staatsmuseums bedeutende Zukäufe tätigen konnte. Heute ist die Sammlung die größte und bedeutendste Sammlung internationaler moderner Kunst der Nachkriegszeit in Nordbayern – und nicht zuletzt wegen der einmaligen Architektur von Volker Staab auch eine touristische Attraktion.

Vorzeigeobjekt und Politikum

Freilich schwelte von Anbeginn an ein Konflikt in diesem Vorzeigeobjekt bayerischer Kulturpolitik: Das Staatsmuseum, das ursprünglich ausschließlich der "Kunst der zweiten Moderne" vorbehalten sein sollte, musste die aus München verordnete Kröte der Design-Abteilung schlucken, was das eigentlich voluminöse Museum in zwei für sich ziemlich kleine Museen aufspaltete. Und da ein stringentes gemeinsames und sicher auch schwieriges Ausstellungskonzept für die Kombination von moderner Kunst und Design nicht vorlag, war der Konflikt programmiert: Florian Hufnagl, der Direktor der Neuen Sammlung München, die in die Pinakothek der Moderne einging, behandelte die Nürnberger Dependance von Anfang an stiefmütterlich, als Abstellkammer für Exponate, für die man in München keinen Platz mehr hatte. Er weigerte sich auch, die Nürnberger Design-Abteilung zu verändern.

Grisebachs Amtszeit endet im August 2007. Und in der Nachfolgefrage halten sich alle Seiten bedeckt. Sein Weggang, so Grisebach, böte die Chance eines Neuanfangs für das Staatsmuseum und damit eines überzeugenden Museums- und Ausstellungskonzepts für Moderne Kunst und Design. ? Friedrich J. Bröder