Chance für den Rechtsstaat

Kommentar

11.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:49 Uhr

Man kann sich heute kaum vorstellen, wie homosexuelle Männer in der Bundesrepublik verfolgt und ihrer Würde beraubt wurden. Und das mit dem Segen des Bundesverfassungsgerichts, das 1957 den von den Nationalsozialisten verschärften und auch in der Bundesrepublik angewandten Paragrafen 175 als rechtlich geboten eingestuft hat.

Oft hat das Gericht seither gegensätzlich geurteilt, um Diskriminierung abzubauen. Davon jedoch haben Zehntausende Verurteilte nichts. 1994 wurde der Paragraf abgeschafft, doch die Urteile haben bis heute Bestand. Oft ist seither darüber debattiert worden, die "Täter", die in Wahrheit Opfer waren, zu rehabilitieren. Stets haben sich die Bedenkenträger durchgesetzt.

Spätestens nach dem Gutachten des Münchner Rechtsgelehrten Martin Burgi ist das Parlament am Zug. Es muss der Forderung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes nachkommen. Für den Rechtsstaat ergibt sich die Chance zu zeigen, dass er in der Lage ist, sich zu korrigieren. Karlsruhe braucht der Gesetzgeber nicht zu fürchten, denn das Bundesverfassungsgericht hat diese Fähigkeit wiederholt unter Beweis gestellt.