Chance auf Neuanfang

Von Christian Fahn

29.10.2018 | Stand 02.12.2020, 15:21 Uhr

Die krachenden Wahlniederlagen der Schwesterpartei CSU in Bayern, der CDU in Hessen und dramatische Umfragewerte, die die Union bundesweit nur noch bei 24 Prozent sehen.

Die Christdemokraten befinden sich in einer tiefen Krise - Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel muss reagieren. Und sie kündigt einen Teilrückzug von der politischen Bühne an: Nach 18 Jahren will sie den Parteivorsitz der CDU abgeben.

In Kreisen von Merkels eigener Partei wird schon von einem historischen Tag gesprochen. Dabei ist es für eine demokratische Partei durchaus üblich, von Zeit zu Zeit die Spitze zu wechseln. Die Christdemokraten tun sich damit aber offenbar recht schwer: Die prägenden Vorsitzenden, Konrad Adenauer, Helmut Kohl und nun auch Merkel zogen sich erst in Krisenzeiten zurück.

Aber es wäre unfair, Merkel allein die Schuld an der mangelnden Gunst der Wählerinnen und Wähler zuzuschreiben: Sie hat aus der Hosenträgerpartei CDU mit schwarzen Kassen eine moderne Volkspartei gemacht. Natürlich hat sie einen Teil der klassischen konservativen Werte über Bord geworfen. Aber die waren im politischen Machtkampf lange nicht gefragt. Im Gegenteil: Merkel hat die CDU anfangs des Jahrtausends auf einen Kurs gebracht, der ihr 13 Jahre die Macht im Kanzleramt gesichert hat.

Allerdings ist die Partei unter ihr auch in einen Dämmerzustand verfallen: Seit sie Kritiker wie den früheren Fraktionschef Friedrich Merz mundtot gemacht hatte, wurde die CDU immer mehr zum Merkel-Abnick-Verein. Das änderte sich erst im Umfeld des Streits um den Umgang mit den Flüchtlingen. Nachdem die rechtspopulistische AfD erfolgreich Kapital aus der Unsicherheit von Teilen der Bevölkerung zu schlagen begann, wuchs der Widerstand innerhalb der CDU.

Dabei sind auch das bekannte "Wir schaffen das" und die Probleme rund um die Flüchtlinge allein nicht der Auslöser des Dramas um die Union. Tatsache ist vielmehr, dass immer weniger Menschen verstehen, was die Regierenden in Berlin antreibt - und wo sie dieses Land hinführen wollen. Beispiel: Diesel-Krise. Die Autohersteller haben gegen Gesetze verstoßen, haben die Gesellschaft und ihre Kunden betrogen. Und die von Angela Merkel geführte Bundesregierung? Sie reagierte eher wie eine Lobbytruppe der Autohersteller denn eine Vertretung der Bürger. Natürlich geht es um viele Arbeitsplätze, aber eben auch um das Rechtsempfinden der Bürger in Deutschland.

Die Frage ist, wie Merkels Nachfolgerin oder Nachfolger die CDU und die Union aus der Krise führen will. Die Verlockung ist groß, der CDU angesichts der Erfolge der AfD einen Rechtsruck zu verpassen. Doch das dürfte ein Irrweg sein: Gefragt ist eine glaubwürdige Politik, die die Menschen verstehen. Die Parteien müssen den Menschen erklären, für was sie stehen und was sie erreichen wollen und das - wenn sie die Chance vom Wähler bekommen - dann auch umsetzen. Das sind sie nicht nur sich selbst, sondern auch der Demokratie schuldig. Und hier liegt die Chance auf einen Neuanfang für die Union.