Pfaffenhofen
Bürgerrechte in Pfaffenhofens Partnerlandkreis in Gefahr?

Tarnów verabschiedet "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" - Klage vor Krakauer Verwaltungsgericht

09.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:17 Uhr
Eine "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" hat Pfaffenhofens Partnerlandkreis Tarnów verabschiedet. Schulischen Aufklärungsunterricht nach WHO-Standard sieht diese Resolution beispielsweise als jugendgefährdende "Homo-Propaganda". −Foto: Archiv/dpa

Pfaffenhofen - Pfaffenhofens Partnerlandkreis Tarnów hat vergangenes Jahr die umstrittene "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" sowie die "Charta der Familienrechte" verabschiedet. Landrat Roman Lucarz sagte zudem in einem Interview, Passivität in der Lesben- und Schwulenfrage wäre "schweigende Zustimmung zu etwas Krankhaftem". Sind die Bürgerrechte im Partnerlandkreis in Gefahr?

Im Dezember 2019 brachte das Europäische Parlament mit großer Mehrheit seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass in der Europäischen Union Angriffe auf Menschen wegen deren sexueller Orientierung zunehmen. Die Abgeordneten verurteilen insbesondere die Anfang 2019 begonnene Errichtung "LGBT-freier Zonen" in zahlreichen Gemeinden, Kreisen und Regionen im Südosten Polens.

Zu ihnen gehört auch der Landkreis Tarnów. Diesen verbindet seit dem Jahr 2001 eine Partnerschaft mit dem Landkreis Pfaffenhofen, die 2015 erneuert wurde; im vergangenen Herbst war noch eine Delegation aus Tarnów zu Gast.

Der Kreistag von Tarnów hat im April 2019 die umstrittene "Resolution gegen die LGBT-Ideologie" verabschiedet. Landrat ist seit 2013 Roman Lucarz, der der Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) angehört. In einem Interview mit dem Portal "Naszemiasto" ("Unsere Stadt") erklärte Lucarz am 2. Mai 2019: "Passivität in dieser Frage wäre schweigende Zustimmung zu etwas Krankhaftem." Auf die Frage, ob er homophob sei, sagte Lucarz: "Ich verurteile nicht den Menschen, sondern die Sünde. Mögliche Anfeindung fürchte ich nicht, denn ich habe den Herrgott auf meiner Seite."

Das städtische Jugendparlament stellte sich gegen die Entschließung, denn diese richte sich gegen die nicht-heterosexuellen Menschen, mit denen man täglich zusammenarbeite. Die Forderung nach einer Entschuldigung an die Betroffenen konterte Lucarz mit den Worten: "Ihr seid noch jung, ihr habt keine Erfahrung."

Der "nächste Schritt nach der LGBT-Resolution" war laut Lucarz die Verabschiedung der "Charta der Familienrechte" (Karta Praw Rodzin) im November 2019. Diese soll die Institution der traditionellen polnischen Familie schützen, indem ihr Vorrang gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens zementiert wird. Bei beiden Dokumenten handelt es sich nur um Absichtserklärungen, die gleichwohl gesellschaftliche Tendenzen widerspiegeln und verstärken. Lucarz erklärte am 15. Oktober 2019 in einem Interview mit dem lokalen Radiosender RDN, es gehe um die "Verteidigung des christlichen Glaubens" und die "nationalen Werte" des Polentums. Aus seiner Sicht stellt die Resolution keine Diskriminierung dar, denn sie richte sich nicht gegen die Würde Einzelner, sondern gegen eine "Ideologie", die "gegen das Naturrecht" sei, so Lucarz an anderer Stelle. Die "Schönheit menschlicher Liebe" zu vermitteln - dafür sei die Familie zuständig. Schulischen Aufklärungsunterricht nach WHO-Standard hingegen sieht die Resolution als jugendgefährdende "Homo-Propaganda".

Im März 2020 reichte der amtierende Bürgerrechtsbeauftragte der Republik Polen, Adam Bodnar, am Krakauer Verwaltungsgericht Klage gegen den Landkreis Tarnów ein, da die Anti-LGBT-Resolution weder mit der polnischen Verfassung noch mit EU-Recht vereinbar sei.

PK

Roland Scheerer