Roth
Buckeln für die Buhrufe

Kreisbäuerin Annette Götz klagt bei Ortsbäuerinnentagung über die aktuellen Schattenseiten ihres Berufs

07.11.2018 | Stand 23.09.2023, 4:53 Uhr
Bei der Ortsbäuerinnentagung beschenkt Landwirtschaftszentrumschef Werner Wolf die Kreisbäuerin Annette Götz zum Geburtstag mit Blumen. −Foto: Leykamm

Roth (HK) Wenn sich die Ortsbäuerinnen des Landkreises Roth im Herbst zur Arbeitstagung treffen, geht es längst nicht mehr nur darum, auf Termine hinzuweisen und Organisatorisches zu besprechen. Immer mehr wird dabei auch die Entwicklung des eigenen Berufsstandes reflektiert. So auch dieses Mal, als Kreisbäuerin Annette Götz in der Aula des Rother Landwirtschaftszentrums zum Dialog mit der Öffentlichkeit appellierte.

Eine Aufforderung, der allerdings recht ernüchternde und sie persönlich sehr traurige stimmende Gedanken vorangingen. Bei einer Rundreise durch die Region zum Verteilen von Informationen habe sich ihr angesichts der immer weniger werdenden Bauernhöfe ein wehmütiges Bild geboten, sagte Götz. Erst recht, als sie bei einem Hofherrn vorbei kam, der gerade mit dem Abriss des Milchstalls beschäftigt ist. Jetzt gebe es in jenem Ort nur noch einen einzigen Landwirt. In ihrem eigenen Dorf habe ebenso ein Bauer kürzlich sein Hoftor für immer zugesperrt. Sie beschleiche "ein trauriges Gefühl, dass bei uns eine Kultur verloren geht, die durch nichts ersetzt werden kann", sagte Götz.

Dass viele Veranstaltungen mittlerweile just zu den Melkzeiten angesetzt würden, lasse ebenso tief blicken. Und die verbalen Angriffe in den sozialen Medien verschärften sich immer mehr. Die Bauern würden im Internet für den Klimawandel ebenso verantwortlich gemacht wie für Naturschutzkatastrophen. Es gebe auch schon Forderungen, dass die Landwirte für die dadurch entstandenen Schäden haftbar gemacht werden sollten, berichtete Götz.

Die virtuellen Buhrufe sind also deutlich zu vernehmen. Dabei "buckeln wir sieben Tage, damit alle ihre Lebensmittel bekommen", sagt Götz. Unter den genannten Umständen frage auch sie sich des Öfteren: "Warum mache ich das eigentlich?" Das politische Gebaren bereitet der Kreisbäuerin ebenso Kopfzerbrechen. So habe in Hessen eine grüne Kreistagsfraktion einen Hähnchenmaststall verhindert, der völlig rechtens gewesen sei. Ob man sich hier auch Gedanken mache, wo denn die billigen Hähnchen in den Läden herkämen? Besser doch von einem solchen Stall als aus dem Ausland, fügte Götz hinzu. Ebenfalls aufs Geflügel zielt ein Sprichwort ab, das Bezirksbäuerin Christine Reitelshöfer in Erinnerung rief: "Wer Eier haben will, darf die Henne nicht schlachten", appellierte sie an Gesellschaft und Politik, die heimische Landwirtschaft vor Verbalattacken und gesetzlicher Gängelung zu verschonen.

Beide Frauen forderten aber dazu auf, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern selbstbewusst den Dialog mit dem Verbraucher zu suchen. "Das ist eine Aufgabe von uns Landfrauen", machte Götz deutlich. Gerade junge Menschen gelte es "auf die Höfe zu holen und ihnen unsere heutige Situation zu zeigen", ergänzte Reitelshöfer. Ihr sei aber auch klar, dass dadurch nicht "auch noch der letzte Fundamentalist bekehrt" werden könne.

Mit einer Initiative des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) wird derzeit zumindest einem Teil der Bevölkerung der Spiegel vorgehalten. Nämlich jenen Zeitgenossen, die auf ihren Steingarten schwören und Insekten und Bienen damit keine Chance geben - was bekanntlich gerne den Landwirten angekreidet wird. Die sorgten dagegen mittlerweile mit Blühstreifen für Abhilfe und auch in den steinernen Gärten ließe sich mit Pflanzenmischungen leicht für Artenvielfalt sorgen.

Von Götz gab es indes nicht nur einen Appell zur Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch den, sich als Ernährungsfachfrau für Kochvorführungen zur Verfügung stellen, die demnächst wieder angeboten würden. Denn es mangle mittlerweile an Referentinnen.

Ingrid Bär als Hauswirtschaftschefin des Landwirtschaftszentrums forderte die Landfrauen auf, sich "als Influencer zu betätigen" - und wenn auch nur durch das Besprechen eines Rezeptes in den sozialen Medien. "Verlieren wir nicht unseren Frohsinn - unsere Kompetenz wird immer stärker gebraucht", ermunterte Bär die Anwesenden. "Auch ich könnte mich täglich aufregen, aber ich bin nicht dazu verpflichtet."

Die stellvertretende Kreisbäuerin Barbara Stürmer machte in ihren besinnlichen Gedanken darauf aufmerksam, dass jede Landfrau für das große Ganze so wichtig sei wie ein einzelner Buchstabe einer Schreibmaschine - ohne ihn stimme das Gesamtbild nicht.

Als besondere Ermutigung für die Kreisbäuerin, die am Tag der Veranstaltung ihr Wiegenfest feierte, gab es dann noch ein Geburtstagsständchen - gemeinsam mit den anwesenden Ortsbäuerinnen und ihren Stellvertreterinnen im Kanon gesungen.

Jürgen Leykamm