Ingolstadt
Brutaler Übergriff auf Taxifahrerin

Landgericht verhängt ein Jahr und neun Monate Gefängnis gegen jungen Rumänen

28.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Ingolstadt (DK) Dass dies ein außergewöhnlicher Fall am Landgericht war, zeigte sich nicht zuletzt an der Nutzung des Beratungszimmers, das sonst exklusiv den Richtern und Schöffen vorbehalten ist. Der Vorsitzende Richter Thomas Denz stellte es am Freitag aber Verteidiger, Angeklagtem und dessen Eltern für einen spontanen Familienrat zur Verfügung.

Es galt, das Verfahren vielleicht doch rechtskräftig abschließen zu können, obwohl das Urteil nicht so ausgefallen war, wie die Verteidigung es beantragt hatte.

Für ein Jahr und neun Monate schickt die 1. Jugendkammer den angeklagten Rumänen nach Jugendstrafrecht ins Gefängnis, wo er schon seit Mitte Februar die Untersuchungshaft verbringt. Das ist die Quittung für einen äußerst brutalen Übergriff des damals 18-Jährigen auf eine Ingolstädter Taxifahrerin. In einer Novembernacht 2016 ging der angetrunkene Fahrgast ohne Vorwarnung vom Beifahrersitz aus auf die 51-jährige Chauffeurin los, nachdem sie ihn von der Goethestraße in den Südwesten gefahren hatte. Er klemmte ihren Kopf mit einem "schraubstockartigen Griff" (Denz) mit den Ellbogen ein, bis ihr Kiefer krachte, würgte sie später so sehr, dass ihr schwarz vor Augen wurde, bedrohte sie mit dem Tod und griff ihr auch ins Lenkrad, um das Taxi gegen parkende Autos zu steuern. Derweil begrapschte er die Frau, nachdem er sie "alkoholbedingt enthemmt" (Denz) reichlich plump hatte anmachen wollen. Wobei das Opfer allerdings laut dem Richter "eine absolute Zufallsauswahl" war, da dem Angeklagten das Taxi von einer Tankstellenmitarbeiterin gerufen worden war.

Das alles hatte die noch immer schwer mitgenommene Geschädigte dem Gericht erzählt. Die erfahrene Taxifahrerin, "eine gestandene Frau" (Denz) mit 30-jähriger Berufserfahrung, verspürte damals Todesangst. Sie konnte sich mit einem Sprung aus dem Auto in die Arme eines Passanten retten.

Der Angeklagte gestand zu Prozessbeginn alles vollumfänglich ein, wofür Richter Denz dem Verteidiger Thomas Dolmany "ein großes Lob" aussprach. Er hatte seinen Mandanten erst so weit gebracht. Bis dahin hatte der junge Ausländer wiederholt gegenüber der Polizei erklärt gehabt, dass er sich wegen des Alkohols überhaupt nicht oder nur lückenhaft erinnern könne. "Das war aber dann ein Geständnis, mit dem wir arbeiten konnten", so Denz. Zudem kam ein Täter-Opfer-Ausgleich (mindestens 2500 Euro Schmerzensgeld) zustande, außerdem entschuldigte sich der Angeklagte bei der Taxifahrerin. Das konnte die Jugendkammer positiv werten.

Doch zu einer Bewährungsstrafe konnten und wollten sich die Richter angesichts vieler schwerwiegender Punkte nicht durchringen. Staatsanwalt Jürgen Staudt hätte da auch nicht mitgespielt, da er eine zweieinhalbjährige Jugendstrafe forderte, bei der die Frage nach Bewährung überhaupt nicht aufkommen konnte.

Es war laut Denz "die schwierigste Frage überhaupt in dem Prozess", aber eine "Bewährungsstrafe ist aus erzieherischen Gründen nicht angebracht" - und der Erziehungsgedanke steht im Jugendstrafrecht im Vordergrund. Das Jugendgefängnis in Neuburg-Herrenwörth ist für den Angeklagten die passende Umgebung. Er sei dort aus seinem gewohnten Umfeld herausgerissen, lerne gerade erstmals vernünftig Deutsch, habe bei der Arbeit in der Küche im Koch ein Vorbild gefunden. Auf diesem Weg müsse der Angeklagte weitergehen und Therapieangebote der Haftanstalt nutzen, hielt der Richter fest. "Nehmen Sie das Urteil als ernst zu nehmende Chance!" Draußen würde ihn "der reißende Fluss des Lebens wieder überschwemmen", philosophierte Denz.

Seine eindringlichen Worte zeigten Wirkung: Nach dem Familienrat nahm der Angeklagte das Urteil an. Es ist rechtskräftig. Wenn er sich gut führt, kommt der Teenager vielleicht in gut einem halben Jahr auf Bewährung frei.