Eichstätt
Brücke zwischen Himmel und Erde

Auch Pilger aus der Region hoffen im Wallfahrtsort Lourdes auf Heilung und Wunder - vor allem aber suchen sie dort nach Kraft

06.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:33 Uhr
Pilgergruppe in Lourdes: Mitreisende berichten von Wundern, die sich dort in den Herzen der Menschen abspielen. −Foto: privat

Eichstätt (DK) Domvikar Reinhard Kürzinger war als Leiter des Pilgerbüros der Diözese Eichstätt schon zehnmal im Wallfahrtsort Lourdes. An diesem Heiligen Ort erlebte er große Liturgien und viele Momente, in denen Pilger aus verschiedenen Ländern gemeinsam ihren Glauben stärkten.

Es ist aber eine Geschichte von einem behinderten Mädchen, die er besonders leidenschaftlich erzählt. "Sie kauerte in ihrem Rollstuhl, als sie aber das Glockenläuten hörte, blühte sie richtig auf - unglaublich. Das war für mich ein Wunder. Die eigentlichen Wunder in Lourdes spielen sich in den Herzen der Menschen ab."

Kürzinger hat das oft beobachtet, man dürfe in Lourdes keine sofortigen Blitzheilungen erwarten. Sondern eher innere Einkehr und Läuterung. Dreimal hielt er in Lourdes eine Predigt vor Hunderten Gläubigen. "Es ist ein großartiges Erlebnis, an der Grotte die Messe feiern zu dürfen", sagt Kürzinger. Als der ein Leben lang an Krankheiten und Armut leidenden Bernadette Soubirous die Gottesmutter Maria erschienen sei, "hat sich sozusagen der Himmel ein Stück weit geöffnet". Und deswegen kommen Gläubige aus der ganzen Welt, pro Jahr mehr als sechs Millionen. Sehr viele hoffen auf eine Heilung.

Wobei es dafür eine Definition braucht, sagt Elisabeth Moßburger. Die EDV-Anwendungsbetreuerin im Ingolstädter Klinikum ist die Leiterin des Pflegevereins Förderer der Lourdes-Krankenfahrten - die Mitglieder kommen aus verschiedenen bayerischen Diözesen - und begleitet seit 1999 einmal im Jahr kranke Pilger auf ihrem Weg nach Lourdes. "Die Wallfahrer kommen mit einem Paket an Sorgen oder Krankheiten nach Lourdes und nehmen es auch wieder mit nach Hause. Das Paket ist dann aber leichter zu ertragen", sagt sie. Besonders beeindruckend sei der Krankensalbungsgottesdienst. Das Handauflegen eines Priesters, die Salbung mit Krankenöl, auch für die Pfleger, das gebe Kraft. Wie die gemeinsame Zeit überhaupt. Pfleger, Ärzte und Seelsorger betreuen die Kranken und die zeigen große Freude und Dankbarkeit. "Wer einmal dort war, kommt oft wieder mit", sagt Moßburger.

Für die Pilger sind diese fünf Tage ein berührendes und intensives Erlebnis, das allgemeine Interesse an der Reise nach Lourdes ist aber rückläufig. Früher waren es noch 120 bayerische Wallfahrer und 90 Pfleger im Sonderzug des bayerischen Pilgerbüros, seit 2011 nehmen etwa 30 kranke Pilger und rund 25 Pfleger einen Flug nach Frankreich. "Der tiefe katholische Glaube wird nicht mehr so häufig gelebt wie früher", sagt Moßburger. Für die katholische Kirche sei Lourdes aber dennoch ein äußerst wichtiger Ort. Denn der Wallfahrtsort habe den Ruf, dass Gott hier besonders ansprechbar sei, sagt Kürzinger. Gewissermaßen ein Winkel des Himmels, "wo Gott mit seinen Heiligen den Wallfahrern entgegenkommt".

Man trifft hier eine andere Klientel als beispielsweise auf dem Jakobsweg, wo es auch Kirchenkritiker gebe. "Lourdes ist speziell, Lourdes ist katholisch", sagt Kürzinger. "Da ist der Kern. Tiefgläubige, häufig ältere Menschen oder solche, die vom Leben gebeutelt sind, fahren dorthin. Aber viele auch aus Dankbarkeit, Lourdes ist nicht nur eine Notrufsäule." Und es gibt Wunder. Bislang 70 von der Kirche offiziell anerkannte.

Dabei handelt es sich um Heilungen, die medizinisch nicht erklärt werden können. Ein Komitee aus Geistlichen und Ärzten entscheidet, ob diese Spontanheilungen als Wunder gelten, erklärt der Ingolstädter Allgemeinarzt Bernhard Müller. Zwölfmal reiste er als begleitender Arzt mit einer Pilgergruppe der Diözese Eichstätt nach Lourdes. Sein Schlüsselerlebnis war die Segnung eines spastisch gelähmten Jungen. Kein lauter Moment, doch die Mutter war völlig ergriffen. "Da habe ich verstanden, warum sich Leute diese Reise antun. Sie suchen Kraft und finden sie auch. Das ist das eigentliche Wunder."

Naturwissenschaftlich erklären könne man Wunder nicht. "Aber man kann daran glauben", sagt Müller. Besonders an diesem Ort, an dem der Himmel die Erde berührt habe, als ein armes Mädchen zum Vorbild für die Gläubigen wurde. "Bernadette hat ein Leben lang unter Krankheiten gelitten und ist doch nicht verzagt", sagt Kürzinger. Lourdes ist für ihn eine Brücke zwischen Himmel und Erde. "Menschen, die sich das vorher nicht vorstellen konnten, verwirklichen hier Nächstenliebe", sagt Müller. Das ist es wohl, was Kürzinger mit den Wundern meint, die sich im Herzen abspielen.

Christian Missy