Brigitte Glos: Aktionstag löst nicht das Problem

29.05.2006 | Stand 03.12.2020, 7:51 Uhr

Hilpoltstein (luf) "Ich gehe da hin, wo ohnehin gut ausgebildet wird", sagt Brigitte Glos im Brustton der Überzeugung. Die Chefin der Arbeitsagentur Weißenburg will bewusst einen Kontrapunkt setzen – einerseits zu ihren Mitarbeitern, die "heute in Scharen ausschwärmen", andererseits zu Politikern: "Ich bin nicht da, wo man Stellen aufhebt, nur damit ich sagen kann: Die habe ich akquiriert ."

"Dass der Tag das Problem löst, davon gehe ich nicht aus", sagt Brigitte Glos. Doch blanker Aktionismus, der ins Leere läuft, sei der bundesweite Aktionstag, an dem 180 Argen in Deutschland in die Betriebe gehen, auch nicht. Er sei Werbung, "und Werbung hat auch ihren Sinn". Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssten immer wieder daran erinnert werden, dass auszubilden nicht nur eine gesellschaftliche Verpflichtung, sondern angesichts der demografischen Entwicklung auch ein Gebot der betriebswirtschaftlichen Vernunft sei.

"Das ist auch unsere Motivation", springt ihr Gert Sorgatz, der Produktionsleiter bei Reiter, bei. Hier auf dem Land könne man kaum Fachkräfte anwerben. Und so bildet das Unternehmen seit 1970 seine Mitarbeiter aus. Der erste Lehrling vor 26 Jahren hieß Josef Schmidt – heute ist er Leiter der Abteilung Formenbau und gibt seinerseits sein Wissen weiter.

Zwei Berufe lehrt das Hilpoltsteiner Unternehmen, das Firmengründer Helmut Reiter 2004 der Geiger-Gruppe verkauft hat: Zum einen Werkzeugmechaniker mit Schwerpunkt Formtechnik, zum anderen Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik. "Über 50 Formenbauer haben wir schon ausgebildet", erzählt Sorgatz stolz, "und fünf Verfahrenstechniker." Im kommenden Jahr sollen zwei Formenbauer dazu kommen. Das Beste daran: "Unsere Azubis werden in aller Regel übernommen", versichert Josef Schmidt.

Zahl der Bewerber steigt

Löblich – doch letztlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt klafft immer weiter auseinander. Wie Glos ausführt, ist die Zahl der angebotenen Stellen im vergangenen Jahr um 3,4 Prozent gesunken, während die Bewerberzahl um mehr als neun Prozent angestiegen ist. Im Bereich der Geschäftsstelle Roth "haben 574 Jugendliche bis heute nichts".

Von den insgesamt 913 registrierten Bewerbern kämen rund 300 bereits aus berufsvorbereitenden Maßnahmen, "da wird uns ein Teil als Altbewerber erhalten bleiben". Wenn diese Klientel nicht schleunigst eine Stelle findet, sieht es Glos zufolge bald düster aus: "Bis 18 Jahre geht es noch. Aber danach wird es schwierig." Diese Tendenz ist für Glos die Herausforderung der Zukunft: Das Problem des Arbeitsmarktes von morgen wird sein, die Verlierer mitzunehmen." Diejenigen, die nichts gelernt haben, denn deren Stellen brechen mehr und mehr weg.

Und so ist sie guter Hoffnung, dass die derzeit 90 offenen Stellen, die die Arbeitsagentur immer noch vorweisen kann, zum Großteil noch besetzt werden können – spätesten im Zuge der Ausbildungsbörse am 15. Juli. Denn bei solchen Gelegenheiten merkten Jugendliche – oder deren Eltern – auch oft, wie antiquiert ihre Vorstellungen von einem Beruf oft seien. Ob im Nahrungsmittelgewerbe, das meist ziemlich unbeliebt ist, oder in der Kunststofftechnik , wie Sorgatz ausführt.

Berufsbild im Wandel

"Der Lehrberuf ist sehr anspruchsvoll geworden", sagt er. Während früher vor allem handwerkliche Fähigkeiten gefragt waren, sind heute Technikkenntnisse vonnöten – Mathe, Physik und Computerkenntnisse inklusive. Hohe Erwartungen also an die Arbeiter von morgen.