Brief: 34 CDU-Funktionäre kritisieren Merkels Flüchtlingspolitik

07.10.2015 | Stand 25.04.2020, 3:48 Uhr

Berlin (dk) 34 CDU-Funktionäre aus mehreren Bundesländern haben in einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel deren Flüchtlingspolitik deutlich kritisiert. "Die gegenwärtig praktizierte "Politik der offenen Grenzen" entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU", heißt es in dem Brief.

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Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel 
Vorsitzende CDU Deutschlands 
Klingelhöferstraße 8 
10785 Berlin

4. Oktober 2015

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

wir wenden uns an Sie mit großer Sorge um die Zukunft unseres Landes und Europas. Gegenwärtig erleben wir einen ungesteuerten Zustrom von täglich mehreren tausend Flüchtlingen nach Deutschland. Viele weitere zehntausende Flüchtlinge sind auf verschiedenen Routen auf dem Weg in unser Land. Nach belastbaren Schätzungen planen mehrere Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei, im Libanon und in Jordanien ihre Flucht nach Deutschland. Gleichzeitig fliehen immer mehr Menschen aus Albanien, Afghanistan, Pakistan und Afrika nach Deutschland.

Unsere EU-­Partner wie Griechenland, Italien, Ungarn, Kroatien, Slowenien und Österreich leiten die Flüchtlinge bis jetzt entgegen dem geltenden europäischen Recht in den meisten Fällen einfach nach Deutschland weiter.

Hilfe für Flüchtlinge ist uns nicht nur durch die christliche Nächstenliebe geboten. Sie entspricht auch der Programmatik der CDU. Wir freuen uns über die Willkommenskultur in unserem Land sowie die großartigen Anstrengungen der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Helfer.

Die Aufnahmekapazitäten Deutschlands sind allerdings bis an die Grenzen gespannt und an manchen Orten bereits erschöpft. Dennoch ist in den kommenden Wochen und Monaten mit einem weiteren großen Zustrom von Flüchtlingen zu rechnen.

Dabei stehen unserem Land bereits mit den schon angekommenen Flüchtlingen große Herausforderungen bevor. Das gilt vor allem für unsere sozialen Sicherungssysteme und den Bereich der Integration, da der größte Teil der Flüchtlinge in absehbarer Zukunft voraussichtlich nicht in den deutschen Arbeitsmarkt integrierbar sein wird. Außerdem stammt die Mehrheit der Flüchtlinge aus Ländern, deren vorherrschende Gesellschaftsbilder deutlich von unseren westlichen Werten abweichen. Viele unserer grundlegenden Werte werden wir den hier Ankommenden erst noch vermitteln müssen, so den demokratischen Rechtsstaat einschließlich der Meinungsfreiheit, die die Freiheit zur Kritik an Religionen umfasst, das gleichberechtigte und friedliche Nebeneinanderleben der Religionen, die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Nichtdiskriminierung von sexuellen Minderheiten oder das Existenzrecht Israels.

Die gegenwärtig praktizierte „Politik der offenen Grenzen“ entspricht weder dem europäischen oder deutschen Recht, noch steht sie im Einklang mit dem Programm der CDU. Ein großer Teil der Mitglieder und Wähler unserer Partei fühlt sich daher von der gegenwärtigen Linie der CDU-­geführten Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik nicht mehr vertreten.
Wir unterstützen ausdrücklich die von der Bundesregierung sowie der Europäischen Union geplanten bzw. beschlossenen Maßnahmen wie z.B. die deutliche Stärkung der Flüchtlingshilfe in den Nachbarländern Syriens, die bessere Sicherung der EU-­Außengrenzen, eine Beschleunigung der Asylverfahren, die Senkung von Leistungsstandards für bestimmte Gruppen von Flüchtlingen, das Prinzip von Sach-­ statt Geldleistungen.

Die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen werden allerdings nicht zügig und effektiv zu einer Senkung des Flüchtlingszustroms nach Deutschland führen.

Daher bitten wir Sie eindringlich, zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, die den gegenwärtigen Flüchtlingszustrom zügig und effektiv verringern. Dazu sollten nach unserer Einschätzung gehören:

1. Wiederherstellung der Geltung des europäischen und deutschen Rechts
Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten kommen, werden gemäß Paragraph 18 Asylverfahrensgesetz an der deutschen Grenze abgewiesen. Dies sollte zumindest praktiziert werden, solange die Schengen-Außengrenzen faktisch offen sind und die anderen Schengen-Staaten ihren europarechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Flüchtlingen, die sich bereits in Deutschland befinden und bei denen sich im Asylverfahren herausstellt, dass ein anderer Mitgliedstaat der EU für ihr Asylverfahren zuständig ist, werden innerhalb weniger Wochen entsprechend den Dublin-­Regeln an diesen Mitgliedstaat überstellt. Sie verfügen nach einer derartigen Entscheidung über keinen Anspruch auf finanzielle Unterstützung in Deutschland mehr.

2. Mehr Hilfe für und Druck auf Griechenland und die Türkei
Unser Nato-­Partner und EU-Beitrittskandidat Türkei leistet bei der Aufnahme von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen einen maßgeblichen Beitrag. Dies sollten wir stärker anerkennen und unterstützen. Unser EU- und Nato-Partner Griechenland ist mit seiner Schengen-­Außengrenze seit Jahren einem großen Flüchtlingszustrom ausgesetzt. Auch dies verlangt unsere Anerkennung und stärkere Unterstützung. Im Gegenzug müssen  wir aber von unseren Partnerländern Türkei und Griechenland verlangen können, dass sie ihre Grenzen effektiver kontrollieren. Dabei sollten wir ihnen jede erforderliche Hilfe zur besseren Grenzsicherung und Flüchtlingsbetreuung anbieten. Solange die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei faktisch offen ist, sollten wir allen Staaten auf der Balkanroute jede Hilfe zur Grenzsicherung sowie Flüchtlingsbetreuung anbieten und diese gleichzeitig auffordern, Flüchtlinge nicht einfach nach Deutschland weiterzuschicken.

3. Zeitnahe und unbürokratische Stärkung der Hilfe für Flüchtlinge vor Ort
Die finanzielle und logistische Hilfe für Flüchtlinge ist insbesondere in den Nachbarländern Syriens wie der Türkei, im Libanon und Jordanien unbürokratisch und zeitnah auszubauen. Neben der Versorgung mit Lebensmitteln ist ein besonderes Augenmerk auf Gesundheit und Bildung zu legen. Alleinstehende Frauen, Kinder und religiöse Minderheiten sind besonders zu schützen und zu unterstützen. Gegebenenfalls sind sichere Flüchtlingszonen zu schaffen.

4. Klare Botschaften zur begrenzten deutschen Aufnahmekapazität an die Herkunftsländer und deren Bevölkerung
Die Bundesregierung und Sie persönlich sollten über Zeitungsanzeigen in den Hauptherkunftsländern sowie über soziale Netzwerke verbreiten, dass nicht politisch verfolgte Flüchtlinge kein Recht haben, nach Deutschland zu kommen und zügig abgeschoben werden. Politisch Verfolgte genießen in der EU Schutz, aber haben kein Recht, sich das Zielland auszusuchen.

5. Beschleunigung von Abschiebungen und Rücküberstellungen      
Rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber müssen zeitnah und konsequent abgeschoben werden. Asylbewerber, für deren Asylverfahren ein anderer EU-­Mitgliedstaat zuständig ist, müssen zügig und konsequent in diesen rücküberstellt werden. Die Bundesregierung sollte die für Abschiebungen zuständigen Bundesländer in jeder Hinsicht stärker unterstützen sowie ggf. den Rechtsrahmen ändern, um unnötige Abschiebehindernisse zu beseitigen. Die Zahlung von Entwicklungshilfe sollte an die Kooperationsbereitschaft des Landes bei der Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern gekoppelt werden. Nur durch zügige und konsequente Abschiebungen senken wir nachhaltig die bestehenden Anreize für nicht politisch verfolgte Flüchtlinge, nach Deutschland zu kommen.

Mittelfristig ist ein großzügiges jährliches EU-­weites Flüchtlingskontingent im Rahmen einer gemeinsamen EU-Asylpolitik anzustreben, das eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU aufbauend auf der kürzlich vom Ministerrat beschlossenen Quote beinhaltet. Innerhalb des Kontingents sollte die EU Flüchtlinge vor Ort nach humanitären Gesichtspunkten sowie Verfolgungsrisiken auswählen. Dabei ist zum Beispiel Familien sowie religiösen Minderheiten eine Priorität einzuräumen.

Deutschland und Europa sind stark und können viele Flüchtlinge aufnehmen. Aber die gegenwärtige Situation der faktisch offenen Grenzen stellt nicht nur die Souveränität Deutschlands und der EU in Frage, sondern schafft auch das Risiko, dass die Aufnahmefähigkeit ebenso wie die Aufnahmebereitschaft in unserem Land überfordert werden. Eine Fortsetzung des ungebremsten Zuzugs gefährdet den inneren Frieden und spielt Radikalen und Extremisten verschiedenster Couleur in die Hände.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, wir wünschen Ihnen und der gesamten Bundesregierung für die Bewältigung der gewaltigen Herausforderungen, die durch den Flüchtlingszustrom entstanden sind und entstehen werden, alles Gute und die erforderliche Fortune!

Mit freundlichen Grüßen

Elmar Bociek, ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter Main-­Taunus-Kreis, CDU-­ Bürgermeisterkandidat Sulzbach (Taunus)
Christoph Brzezinski, Vorsitzender Junge Union Berlin
Alexander Dierks MdL, Vorsitzender Junge Union Sachsen und Niederschlesien Ansgar Focke MdL, Stellvertretender Bundesvorsitzender Junge Union Deutschlands Christopher  Förster,  Mitglied  der  Bezirksverordnetenversammlung  Berlin-­Neukölln, Vorsitzender  CDU-Ortsverband  Berlin-Britz
Johannes Hanisch, Stellvertretender Vorsitzender CDU-­Kreisverband Limburg- Weilburg, Mitglied des Kreistags Limburg-Weilburg, CDU-­Fraktionsvorsitzender in der Weilburger Stadtverordnetenversammlung
Dr. Hans-Christian Hausmann MdA
Martin Henkel, Bürgermeister der Stadt Geisa, Stellvertretender Vorsitzender CDU Wartburgkreis
Michael Heym, MdL, Kreisvorsitzender CDU Schmalkalden-­Meiningen  Andreas Hofmeister MdL, Vorsitzender CDU-­Kreisverband Limburg-­Weilburg, Stellvertretender CDU-­Fraktionsvorsitzender im Kreistag Limburg-­Weilburg
Dr. Robbin Juhnke MdA, Stellvertretender Vorsitzender CDU-­Kreisverband Berlin-­Neukölln
Marcus Kalkhake, Vorsitzender CDU-­Kreisverband Suhl, Mitglied im Stadtrat der Stadt Suhl
Marcus Klein MdL, Vorsitzender CDU-Kreisverband Kaiserslautern-Land Christoph Koch, Mitglied CDU-Bezirksvorstand Württemberg-­Hohenzollern Lukas Krieger, Schatzmeister Junge Union Deutschlands
Gerrit Kringel, Vorsitzender CDU-­Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Neukölln,  Vorsitzender  CDU-Ortsverband  Alt-Rixdorf
Tilman Kuban, Vorsitzender Junge Union Niedersachsen
Falko Liecke, Stellvertretender Bezirksbürgermeister und Stadtrat Berlin-Neukölln, Vorsitzender  CDU-Kreisverband   Berlin-Neukölln
Marcus Malsch MdL, Stellvertretender Vorsitzender CDU Wartburgkreis, Mitglied im Kreistag des Wartburgkreises
Roland Mittmann, Erster Vizepräsident Jugend der Europäischen Volkspartei, Stellvertretender Bundesvorsitzender Junge Union Deutschlands
Martin Modschiedler MdL, Vorsitzender CDU-Ortsverband Dresden Blasewitz/Striesen
Dr. Tim Peters, Vorsitzender CDU-Auslandsverband Brüssel-Belgien     Christian Piwarz MdL, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag
Matthias Pröfrock MdL, Vorsitzender CDU Region Stuttgart
Marc Reinhardt MdL, Vorsitzender Innenausschuss des Landtags Mecklenburg-Vorpommern,  CDU-Kreisvorsitzender  Landkreis  Mecklenburgische  Seenplatte Sven Rissmann MdA, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-­Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, Vorsitzender CDU-Ortsverband Berlin-­Wedding Michael Ruhl, Mitglied des Kreistags des Vogelsbergkreises, Stellvertretender Vorsitzender CDU-Kreisverband Vogelsberg, Vorsitzender CDU-Gemeindeverband Herbstein
Bastian Schneider, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union
Patrick Schreiber MdL, Vorsitzender des Schulausschusses des Sächsischen Landtags, Kreisvorsitzender MIT Dresden
Karsten Schulze, Stellvertretender Landesvorsitzender Junge Union Berlin Ralf Seekatz MdL, Stadtbürgermeister Westerburg
Roman Simon MdA, Schatzmeister CDU-Kreisverband Berlin-­Tempelhof-Schöneberg, Vorsitzender  CDU-Ortsverband   Berlin-Friedenau
Nicolas Sölter, Mitglied im Bundesvorstand der Jungen Union, Vorsitzender CDU- Ortsverband Elmshorn, Mitglied im Kreistag Pinneberg
Mathias Völlger, Mitglied des Kreistags des Hochtaunuskreises, Bezirksvorsitzender Junge Union Nassau

(Unterzeichner Stand 6.10.2016)