München
Brave Erzählstunde

Uraufführung von Antonio Skármetas "Der Aufsatz" in der Münchner Schauburg

14.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:03 Uhr

Viel zu statisch, um spannend zu sein: Szene aus der Uraufführung "Der Aufsatz" in München. - Foto: Digipott

München (DK) Ob Gestapo oder Stasi, in Nazi-Deutschland und in der DDR waren die Spitzel allgegenwärtig. Und zunehmend sind sie auch heute in zahlreichen afrikanischen und asiatischen Staaten, in südamerikanischen Diktaturen und auch im Nato-Land Türkei, das in die EU aufgenommen werden möchte, erschreckend aktiv.

Das Muster der Geheimdienste ist überall gleich: Daten von "Staatsfeinden" sammeln, "Abweichler" ausspionieren und ihr persönliches und berufliches Umfeld "aufhellen", um Material über "Abtrünnige" zu erhalten, die von einer korrupten Justiz dann ins Gefängnis gesteckt werden.

Selbst vor den Schulen machen die Agenten der Diktatoren nicht halt. So wie in Antonio Skármetas Jugendbuch "Der Aufsatz": Ein Offizier als Vertreter eines autoritären Systems taucht eines Tages in einem Klassenzimmer auf, schüchtert das Lehrpersonal mit Drohungen und Repressalien ein, um deren Zustimmung zu erreichen, dass die Schüler einen Aufsatz schreiben sollen. Keine fröhlichen Reminiszenzen freilich an Schulfeiern, Wandertage und andere lustige Erlebnisse, sondern, wie der Geheimdienstmann ultimativ einfordert, "was ihr so macht, wenn ihr von der Schule nach Hause kommt, was eure Eltern machen, wenn sie von der Arbeit kommen. Über Freunde und Bekannte, die euch besuchen, was alles so erzählt wird, worüber beim Fernsehen gesprochen wird."

Welch eine ideale Vorlage eigentlich für ein jugendgerechtes, aufklärerisches Theaterstück! Eine aufrüttelnde Parabel über die Methoden der Geheimdienste in aller Welt, um die Menschen einzuschüchtern und sie an der Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu hindern, hätte man aus dem Bestseller des chilenischen Autors Skármeta (Jahrgang 1940) destillieren können. Doch George Podt, Intendant der Schauburg, des Münchner Theaters der Jugend, machte eine brave Erzählstunde ohne Biss und Dramatik daraus.

Da sitzen im Bühnenhintergrund drei stumme Geheimdienstmänner, eingerahmt von Tonband- und Kopiergeräten, von Abhörmaschinen und Filmprojektoren, stempeln und lochen die eingegangenen Spitzelberichte zwar akkurat, aber ohne betroffen machenden Effekt. Und in der Mitte der Bühne thront der Vater des neunjährigen Schülers Pedro, vor einem Schachbrett grübelnd, auf einem Podest, um die Geschichte des Titel gebenden Aufsatzes erstaunlich emotionslos zu erzählen. Dessen entledigt sich Peter Wolter zwar sehr souverän, doch "der Verfall der Menschlichkeit in einer Diktatur" (Skármeta) wird hier schlichtweg verplaudert. Und so fragt man sich eine gute Stunde lang, warum George Podt als Arrangeur des Textes und Regisseur dieser Uraufführung diese eigentlich höchst traurige Geschichte nicht von Pedro selbst erzählen lässt. Warum nicht Pedros Mutter ihre Ängste, andere Eltern ihre Befürchtungen und die Lehrerin ihre Verzweiflung über die Einschüchterung durch die Geheimpolizei selbst vortragen dürfen. Das wäre ein Theaterstück zum Nachdenken und Mitfiebern geworden, das Jugendliche auch berührt hätte. Aber diese staubtrockene szenische Präsentation rüttelt die Zielgruppe, Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren, wirklich nicht auf. Schade.

Einzig die von Jacky Gleich aus dem Buch übernommenen Porträtskizzen des suchenden, wissbegierigen, verunsicherten und verstörten Pedro retten diese Uraufführung ein wenig.

Vorstellungen am 15. und 17. November, 3., 5., 6. und 7. Dezember. Kartentelefon (089) 23 33 71 55.