München
Bollwerk gegen die Abrissbirnen

Egon Johannes Greipl, Bayerns oberster Denkmalschützer, geht in den Ruhestand

29.11.2013 | Stand 02.12.2020, 23:21 Uhr

München/Ingolstadt (DK) Bayerns oberster Denkmalschützer, Generalkonservator Egon Johannes Greipl, leitete 14 Jahre lang das Landesamt für Denkmalpflege. Als „Anwalt des kulturellen Erbes“ hat der Historiker nie einen Konflikt gescheut. Jetzt geht er in Pension.

Das alte Glump stand nur im Weg herum. Die moderne Stadt des 20. Jahrhunderts brauchte keine Bruchbuden der Ahnen, sondern breite Trassen für Autos – da plagten die Stadtväter der Republik in den 50ern und 60ern keinerlei Bedenken. Also schlugen überall munter die Abrissbirnen ein. Ingolstädter Politiker etwa erwogen um 1960 ernsthaft (wenn auch vorübergehend), das Kreuztor, heute ein Wahrzeichen der Stadt, abzureißen, um dem Busverkehr zu dienen. Andere Baudenkmäler hatten weniger Glück und verschwanden reihenweise aus dem Stadtbild, ohne dass es die Bürger groß gestört hätte.

Egon Johannes Greipl, Jahrgang 1948, erlebte die Blütezeit der Abrissbagger als Jugendlicher. Die ungehemmte Einebnungslaune hat ihn geprägt. Er sagt dazu: „Was unser Erbe, seinen Erhalt und seine Gefährdung betrifft: In den späten 60er und den 70er Jahren sind erst die Bürger, dann die Politiker aufgewacht. Aber nach 1990 sind sie allmählich wieder eingeschlafen. Der Schlaf dauert an.“

Der Altphilologe, Kunsthistoriker und Doktor der Bayerischen Landesgeschichte leistete früh Pionierarbeit für den Schutz kultureller Schätze. Dass die Sensibilität gegenüber Bau- und Bodendenkmälern mittlerweile weitaus größer ist, darf man auch Greipl anrechnen. Er selbst begründet den Erfolg so: „Das lag ganz eindeutig am Engagement der Bürger.“

Als Leiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege trug er den schönen Titel „Generalkonservator“. In seinen 14 Jahren an der Spitze profilierte sich der gebürtige Passauer als „unermüdlicher Streiter für den Erhalt der Denkmäler in Bayern“, wie ihn Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) würdigen lässt.

„Streit“ darf als Schlüsselbegriff seines Wirkens gelten, denn Ärger gehörte zum Geschäft des Generalkonservators. Er musste Bauherren bremsen, sich mit Behörden abmühen und historisch unsensiblen Politikern auf die Nerven gehen. Gerüstet mit profundem Fachwissen, offensiver Rhetorik und einem, so ist anzunehmen, opulenten Selbstbewusstsein ging Greipl – dann mehr General als Konservator – keinem Streit aus dem Weg.

Von 1993 bis 1999 war er Kulturreferent in Regensburg, jener Stadt, in der er das Abitur gemacht hat, und mit der er sich später als Denkmalschützer besonders oft angelegt hat. In Ingolstadt musste vor einem Jahr sogar ein Versöhnungsgespräch zwischen Greipl und Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) arrangiert werden, weil der Generalkonservator gewohnt unverblümt die Pläne der Stadt kritisiert hatte, gegenüber dem Schloss einen wuchtigen Hotelkomplex zu bauen. Greipl warf dem Stadtrat vor, erhoffter Rentabilität einen weitaus höheren Stellenwert zuzumessen „als der Ästhetik und der Verträglichkeit mit dem Stadtbild“.

Im Spannungsfeld zwischen Profitstreben und Heimatliebe war für eine streitbare Natur wie Greipl bis zuletzt eine Menge geboten. Nach Angaben seines Hauses gibt es in Bayern derzeit 161 101 amtliche Denkmäler – und Ärger ohne Ende. 3000 davon seien akut bedroht, klagt Greipl, vor allem Zeugnisse des Alltagslebens: Bauernhöfe, Bürgerhäuser, Gaststätten und viele weitere Erinnerungsorte von heimatgeschichtlichem Rang.

Hier zeigt sich eine offene Flanke des generalkonservatorischen Wirkens: Oft bleibt ihm nur, mit Appellen, Vorträgen und Grußworten für den Denkmalschutz zu fechten; nach Angaben seines Amts sind „viele hundert“ Wortbeiträge Greipls dokumentiert. Jungen Denkmalschützern rät der Professor: „Sich nicht verbiegen lassen. Klartext sprechen. Sich als Anwalt des Denkmals für dessen Erhalt einsetzen.“ Nicht zuletzt: „Keine faulen Kompromisse mittragen!“ Der Kampf, er geht weiter.

Greipls Vater war übrigens ein richtiger General. Eine seiner Uniformen ziert das Magazin des Bayerischen Armeemuseums im Ingolstädter Schloss, einem Denkmal erster Güte.