Ingolstadt
Böser Verdacht

Von Wolfgang Weber

17.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:03 Uhr

Ein dickes Lob hat Noch-Bundesinnenminister Thomas de Maizière den deutschen Sicherheitsbehörden ausgesprochen.

Drei Terroranschläge sollen Polizei und Geheimdienste in diesem Jahr verhindert haben, dank ihrer "sehr guten Arbeit". Wie notwendig solch warme Worte sind, hat sich vor zwei Jahren gezeigt, als sich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bitterlich darüber beschwerte, wie ungerecht seine Mitarbeiter behandelt würden. "Teilweise 24 Stunden, sieben Tage" seien die im Einsatz - jammerte Maaßen - und statt dass man ihnen dafür dankt, würden sie auch noch kritisiert.

Allen Grund zur Kritik an den Sicherheitsbehörden besteht allerdings, wenn stimmt, was die "Welt am Sonntag" berichtet. Danach war Anis Amri, der vor einem Jahr das schreckliche Blutbad auf einem Weihnachtsmarkt mitten in Berlin anrichtete, keineswegs durch die Maschen der deutschen Überwachungsbehörden gefallen. Vielmehr wurde er seit 2015 sehr intensiv beobachtet, wie aus Tausenden Akten, Dutzenden V-Mann-Berichten und Protokollen von Telefon- und Internetüberwachungen hervorgeht. Als so gefährlich galt Amri, dass der Verfassungsschutz bereits im Januar 2016 eine Analyse verfasste, die Behördenchef Maaßen unterschrieb. Das Bundesamt habe sogar eine eigene Sachbearbeiterin für den Fall Amri eingesetzt.

Die Sicherheitsbehörden wussten demnach nicht nur bestens über die islamistischen Verbindungen des Tunesiers Bescheid, sie verfolgten auch, wie er sich Anleitungen zum Bau von Bomben besorgte. Auch, dass er sich seit Februar 2016 dem sogenannten "Islamischen Staat" als Selbstmordattentäter in Deutschland andiente, war bekannt. Warum aber haben die Behörden diese Zeitbombe nicht entschärft? Die "Welt am Sonntag" hat hierauf keine klare Antwort. Vermutet wird allerdings, dass "ausländische Geheimdienste" in dem Fall mitmischten, die sich von einem unbehelligten Amri Informationen erhofften.

Elf Menschen wurden vor einem Jahr bei dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz getötet, mehr als hundert wurden verletzt. Ob sie Opfer auch eines zynischen Kalküls geworden sind oder einfach des Versagens von Behördenmitarbeitern, wird man nie erfahren. Dafür sorgen mit Sicherheit die Geheimdienste und wohl auch ihr oberster Dienstherr Thomas de Maizière.