Eichstätt
"Blöder kann man nicht beginnen!"

Holpriger Wahlkampfauftakt: SPD-Basis fordert mehr Mitsprache - Kandidaten sind jetzt offiziell gekürt

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Die Delegierten des SPD-Unterbezirks Eichstätt haben Andrea Mickel als Kandidatin für die Bezirkstagswahl und Christian De Lapuente (rechts) als Kandidaten für die Landtagswahl 2018 nominiert. Zuvor musste UB-Vorsitzender Sven John wegen des Vorgehens Kritik von den Jusos einstecken. −Foto: Chloupek

Grösdorf (EK) Soweit ist beim SPD-Unterbezirk Eichstätt alles klar: Christian De Lapuente ist Direktkandidat für die Landtagswahl, Andrea Mickel bewirbt sich um ein Bezirkstagsmandat. Sie haben die Zustimmung der Delegierten. Allerdings wurde auch deutlich: Die Basis will mehr gefragt werden.

Der SPD-Unterbezirk Eichstätt ist mit etwa 930 Mitgliedern außerhalb Münchens der stärkste in Oberbayern. Und auch bei der Delegiertenversammlung am Donnerstagabend in Grösdorf wurde an den Tischen natürlich über die Bundespolitik gesprochen: Soll die SPD nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche von Union, Grünen und FDP nun doch Bereitschaft für eine große Koalition signalisieren? Soll sie tatsächlich in die Opposition gehen? Die Delegierten aus den Ortsverbänden des Landkreises Eichstätt haben ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen, aber es zeichnet sich ein Stimmungsbild ab: Eine Mitgliederbefragung sei dringend geboten, "die Basis muss gehört werden".

Die Genossinnen und Genossen an der Parteibasis fordern Transparenz und wollen auch in den Gremien ernst genommen werden und mitreden. Und das im Bund ebenso wie auf Unterbezirksebene. Genau deshalb kam es am Donnerstagabend im Vorfeld der Kandidatenwahl zu einem kurzen, aber durchaus handfesten Streit: Die Juso-Vorsitzende Nadja Saadati und ihre Stellvertreterin Josephine Harris hatten sich zu Wort gemeldet und deutlich kritisiert, dass schon vor den Wahlgängen Werbeflyer - konkret eine Einladung zum SPD-Neujahrsempfang am 21. Januar nach Stammham - verteilt worden sind, auf denen Christian De Lapuente als Landtagskandidat und Andrea Mickel als Bezirkstagskandidatin geführt werden: "Wofür sind wir dann heute Abend eigentlich noch da?"

Außerdem kritisierten die Vertreterinnen der SPD-Nachwuchsorganisation im Landkreis, dass De Lapuente und Mickel bereits vor knapp zwei Wochen im EICHSTÄTTER KURIER vorgestellt worden sind. Einige SPD-Ortsverbände hätten also erst aus der Zeitung erfahren, wer ihre Kandidaten seien. "So geht man mit der Basis nicht um." Diese Kritik richte sich ausdrücklich nicht gegen die Personen, betonte Saadati, sondern gegen das Verfahren. "Demokratie wirklich zu leben fängt genau hier an, hier bei uns, an der Basis!", sagte Saadati. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Sven John entschuldigte sich für das ungeschickte Timing - "die Flyer jetzt schon auszulegen, war wirklich ein Fehler". Er erklärte aber auch die Strategie, die der Unterbezirksvorstand bereits im April 2016 auf den Weg gebracht hatte und die wirklich Erfolg versprechend sei: Der Ingolstädter De Lapuente soll als Direktkandidat im Landkreis Eichstätt antreten und so auf der Oberbayernliste mit möglichst vielen Zweitstimmen aus Ingolstadt seine Chancen auf den Einzug in den Landtag erhöhen. Mit dieser Strategie hatte für die SPD in der Region zuletzt Dr. Manfred Schuhmann ein Landtagsmandat errungen. Der Ingolstädter Schuhmann, der von 1986 bis 2003 den Landkreis Eichstätt im Landtag vertreten hatte und in seinem Grußwort diese Strategie auch begrüßt hatte, zeigte sich wegen des in der öffentlichen Versammlung ausgetragenen Streits "sehr zornig": Er verwies auf die Pressevertreterin im Saal, die "natürlich jedes Wort" mitschreibe, und stellte fest: "Blöder kann man einen Wahlkampfauftakt nicht beginnen!" Einerseits sei es ohne Zweifel "blöd" gewesen, die Flyer vor der Wahl zu verteilen, bemerkte Schuhmann in Richtung des UB-Vorsitzenden Sven John. Anderseits sei der "Popanz" der Juso-Vorsitzenden darum ebenfalls "völlig unnötig".

Angesichts dieses Streits um basisdemokratische Vorgänge ist durchaus pikant, dass Sven John in Grösdorf auch die designierten Kandidaten des benachbarten SPD-Kreisverbands Ingolstadt erstmals öffentlich vorgestellt hat: Dr. Christoph Spaeth möchte als Landtagskandidat antreten, Karoline Schwärzli-Bühler bewirbt sich für den Bezirkstag. Beide sollen am Montag in Ingolstadt von den dortigen Delegierten offiziell gewählt werden.

Die Nominierung der beiden Eichstätter Kandidaten selbst ging zügig über die Bühne. Christian De Lapuente bekam 96 Prozent der Stimmen. Die Gaimersheimer Bürgermeisterin Andrea Mickel erhielt als Bezirkstagskandidatin 99 Prozent. Gegenkandidaten gab es nicht. (Weiterer Bericht folgt.)

KOMMENTAR

Da hat Alt-MdL Manfred Schuhmann schon recht: Blöder kann man wirklich kaum mehr in einen Wahlkampf starten. Allerdings hat der im Umgang mit der Presse erfahrene Polit-Haudegen damit das knackigste Zitat gleich selbst geliefert und den UB-Vorsitzenden wirkungsvoll angeschossen. Ein Versehen? Wohl kaum. Aber das ist ein Thema, das die Ingolstädter und Eichstätter SPDler noch untereinander und am besten wirklich intern zu klären haben. Wichtiger ist die Frage: Was sind die Folgen?

Festzuhalten ist: Einen "Popanz" haben die beiden Vertreterinnen der Jusos mit ihren Wortmeldungen ganz und gar nicht veranstaltet. Sie haben etwas eingefordert, was bei aller Routine, Vorbereitung und Strategie gerade heutzutage bei einer demokratischen Partei eine Selbstverständlichkeit sein und bleiben muss. Nämlich: Bei einer angekündigten Wahl auch wirklich eine Wahl zu haben.

Leidtragende dieser Auseinandersetzung sind nun Christian De Lapuente und Andrea Mickel. Sie müssen versuchen, bei ihren Wahlkampfauftritten diesen ungeschickten Fehlstart schnell vergessen zu machen und mit ihrer Person und ihren Themen punkten. | Eva Chloupek