Eichstätt
Bleigeschosse und Kanonenkugeln

Relikte vom Kampf um die Willibaldsburg - Steingeschoss in Mariensteiner Brücke

09.07.2021 | Stand 12.07.2021, 3:33 Uhr
  −Foto: Ettle, Historischer Verein

Eichstätt - Nach ungefähr vierhundert Jahren wurden jetzt Relikte der kriegerischen Handlungen unterhalb der Willibaldsburg aus einem Erdhaufen gehoben.

 

Es handelt sich um annähernd 50 Gewehr- und Pistolenkugeln aus Blei, die anlässlich der Belagerung der Festung im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) mit Schwarzpulver verfeuert wurden. Die Angreifer schossen von unten auf die Verteidiger, diese zielten auf die fremden Soldaten. Die Bleikugeln - im Durchmesser zwischen sechs bis 15 Millimeter - fand ein Sammler im Aushub vom Bau der Berufsschule am Fuß der einst fürstbischöflichen Burg.

Die Geschosse wurden dem Historischen Verein zur Aufbewahrung überlassen. "Es handelt sich um militärische Relikte aus einer unfriedlichen, bedrohlichen und für die Menschen sehr schweren Zeit", sagte Konservator Albert J. Günther. Der HV habe bisher noch keine derartige Menge an Munition im Besitz gehabt. Geplant ist, die Bleigeschosse im Ur- und frühgeschichtlichen Museum in der Willibaldsburg auszustellen, und zwar zusammen mit Kanonenkugeln, die sich im Depot des Historischen Vereins befinden.

 

Einschläge der massiven steinernen Artillerie-Kugeln im Durchmesser von zirka 15 Zentimetern und einem Gewicht von rund zehn Pfund sind in der Burgmauer beim Aufgang vom Mondscheinweg aus zu sehen. Dort stecken zwei Kanonenkugeln im Gemäuer. Spuren vom Einschlag der massiven Kugeln waren noch vor hundert Jahren im nördlichen Turm der Burg vorhanden, wie Geschichtsschreiber festhielten. Die Pistolen- und Gewehrkugeln wiegen zwischen 3,5 und 25 Gramm.

Ferner steckt eine Kanonenkugel in der Mauer der Mariensteiner Brücke "an der kleinen Altmühl". Wie Günther dazu vermutet, sei sie wohl von den Maurern "irgendwann" als historisches Erinnerungsstück angebracht worden. Immerhin ist die Kugel mit einem Durchmesser von rund 18 Zentimetern ein Anschauungsobjekt der früheren Kampfkraft. Sie ist aus hartem Dolomit herausgehauen worden. Mithilfe der schweren Geschosse konnten in Mauern Breschen geschossen werden.

 

Die umfangreichsten schriftlichen Zeugnisse über die kriegerischen Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg hat die Mariensteiner Priorin der Augustinerinnen, Schwester Clara Staiger, in ihrem berühmten Tagebuch überliefert. Weitere Schilderungen sind dem Historiker Julius Sax zu verdanken. Danach lag im Mai 1633 der Herzog von Weimar in Neuburg. Er marschierte mit einem Kontingent Soldaten nach Eichstätt, um Geld zu fordern. Vom 4. bis 13. Mai lagerte seine Armee auf dem "Altenburgberg" beim ehemaligen Kloster Sankt Peter nahe bei der Willibaldsburg und im Bereich des einstigen Stadtkellers am Burgberg. Julius Sax: "Die Burg wurde heftig beschossen, doch die Besatzung leistete tapferen Widerstand. " Die fürstbischöflichen Soldaten mussten jedoch aufgeben; Herzog Bernhard strich 18000 Gulden Kontribution ein.

In den folgenden Jahren wurde die Stadt immer wieder überfallen, die Bürger waren gezwungen, den Feinden viel Lösegeld zu zahlen, und sie mussten Plünderungen erdulden. Zu einem Sturm auf die Stadt kam es am 6. Februar 1634, wobei Wohnhäuser, öffentliche Gebäude und Kirchen in großer Zahl niedergebrannt wurden. Während im Jahr 1630 genau 141 Eichstätter starben, wurden drei Jahre später 828 und 1634 sogar 982 Todesopfer des Krieges registriert. Im Februar 1634 schrieb Priorin Clara ins Tagebuch, "beim Einfall der Feinde gab es ein jämmerliches Geschrei, Schießen, Schlagen und Stechen in der Stadt". Die Schwestern suchten am Dienstag, 7. Februar 1634, wie schon mehrmals vorher, Schutz in der Willibaldsburg, elf sind ganz mühselig angekommen, 13 wurden "unterwegs zerstreut". Mit dem Beschluss des "Westfälischen Friedens" in Münster und Osnabrück und dem Ende des Kriegs 1648 waren Not und Elend nicht vorbei, der Wiederaufbau kam nur schleppend voran.

EK