Blaues Auge für Europa

Kommentar

16.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr

Ist der Vormarsch der Rechtspopulisten gestoppt? Gelingt es, das Gespenst des aggressiven Nationalismus zurück in die Mottenkiste der Geschichte zu sperren? Die Erleichterung über den Sieg Mark Ruttes in den Niederlanden gegen den fremdenfeindlichen Geert Wilders ist berechtigt, für Entwarnung ist es aber viel zu früh. Zur wichtigsten Auseinandersetzung kommt es im Mai in Frankreich, wenn Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National um den Einzug in den Élysée-Palast kämpft.

Hätte Wilders hinter den Deichen triumphiert, wäre er mit seinem plumpen Populismus und seiner Anti-Islam-Hetze zur stärksten Kraft geworden, hätte das dem Le-Pen-Lager mächtig Auftrieb gegeben.

So weit ist es nicht gekommen. Nicht übersehen werden darf jedoch, dass Wilders mit seinem bizarren Twitter-Wahlkampf 20 Sitze eroberte, seine PVV hinter der geschwächten VVD von Premier Rutte auf Platz zwei landete. Die Pro-Europäer sind also eher mit einem blauen Auge davongekommen.

In Frankreich liegen die Dinge anders. Der Front National hat seine Wurzeln tief ins rechtskonservative Lager geschlagen. Mit ihrer Entdämonisierungs-Strategie, dem Bruch mit ihrem antisemitischen Vater Jean-Marie, hat Marine Le Pen viele Franzosen auf ihre Seite gezogen, für die der Front National bislang ein klares Tabu gewesen ist.

Dabei hat sich an der nationalistischen Agenda der Partei nichts geändert. Vor 15 Jahren, als Vater Le Pen in Runde zwei eingezogen war, hatte das die Grande Nation in einen tiefen Schock versetzt. Jetzt könnte seine Tochter Runde eins sogar gewinnen. Stoppen kann sie wohl nur ein 39-Jähriger, der vor einem Jahr eine neue Partei gegründet hat. Sollte es dem Wirtschaftsreformer und glühenden EU-Verfechter Emmanuel Macron gelingen, die Wahl zu gewinnen, wäre das ein wahrhaftiger Triumph der Anti-Populisten.