Blaue Stunde im Goachat

01.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:41 Uhr

Tausenderlei Grün bestimmt das Goachat in diesen Tagen des Übergangs zwischen Sommer und Herbst. Viele nutzen gerade die blaue Stunde für einen Spaziergang in den Paarauen. - Foto: Petry

Schrobenhausen (SZ) Es ist so ein Moment, da möchte man dichten können, von griesgrämigen Grashüpfern auf gramgebeugten Graupen fabulieren oder das Lied von schleichenden Schnecken in schlüpfrigen Schluchten singen.

Genau genommen wären das aber viel zu viele Worte für etwas von so einfacher Schlichtheit: die blaue Stunde im Goachat, nicht mehr ganz Tag und noch nicht Nacht am haarscharfen Übergang von Sommer zu Herbst.

Für viele Schrobenhausener sind die Paarauen im Westen der Stadt, was sie unter dem Begriff Heimat festmachen würden. Hier haben sie ihre Jugend verbracht. Drüben bei der Schinderhütte, oder hinten im Maiglöckerlwald. Es gab Zeiten, da fand man, wenn über den Bach gesprungen und unter den Büschen hindurch geklettert war, eine halbe Wohnzimmereinrichtung in einer der Lichtungen: Sofas, Tischchen, eine Feuerstelle. Aber Feuermachen im Wald ist ja verboten.

Obwohl es hier auf den ersten Blick nichts Besonderes gibt, ist das Goachat der perfekte Naherholungsort für diejenigen, die ganz einfach durchschnaufen wollen. Über den Hans-Sachs-Weg geht es zur Brücke. Nach Osten türmen sich die Bäume mit ihrem Spiegelbild im Wasser zu wahren Ungetümen auf, oben gestochen scharf, unten postimpressionistisch zerrissen. An diesem Abend sind sie wie zu einem Bild eingefroren. Kein Lüftchen regt sich.

Es ist still. Sehr still. Im Westen verdoppelt sich die Sonne in der Paar, bald wird sie untergehen und zeigt dabei den kalten, angeblich den Schlaf raubenden Energiesparlampen ganz nebenbei, was der Unterschied zwischen warmem und kaltem Licht ist. Ein älterer Herr braust auf seinem Mountainbike vorbei, das Knirschen der Reifen übertönt den immerwährenden Gesang der Grillen drüben im Schilf. Gleich dahinter rollt ein Mittdreißiger in seinem französischen Auto mit schwedischem Kennzeichen heran. Er parkt, öffnet die Tür, steigt nicht aus, sondern dreht sich genüsslich seine Feierabendzigarette, zündet sie an und nimmt einen langen, tiefen Zug. Auszeit.

Von Süden her rauscht es von der B 300 unüberhörbar herüber. Selbst die höchsten Bäume können den Blick auf das Gewerbegebiet an der Augsburger Straße nicht verdecken. Hier, im Goachat, der entspannte Rhythmus der reinen Natur, dort, wenige Meter entfernt der Puls des Alltags, der Kontrast könnte kaum größer sein. Vor 30 Jahren schon wollten sie eine Straße dort rüber bauen. Wie lange manche Dinge dauern . . .

Hinten auf den Spazierwegen nahe dem Biotop, das der Bund Naturschutz vor Jahrzehnten gebuddelt hat, begegnen sich der radelnde Herr und ein Händchen haltendes Pärchen, das dem ungestümen Hündchen ein wenig Jogging verschafft, ehe es huschhusch ins Körbchen muss.

Die untergehende Sonne verfärbt das Land in ein Meer aus tausenderlei Grün. Gelbes Grün, braunes Grün, blaues, graues und grünes Grün. Kein Grün gleicht dem anderen. Der Zug fährt vorbei, halb acht.

Mittlerweile sind es immer mehr geworden, die diese blaue Stunde, vielleicht eine der letzten dieses Jahres ohne braun oder rot verfärbte Blätter, genießen möchten. Jogger, Radfahrer, Fußgänger, Tierfreunde begegnen sich, grüßen sich, schleichen sich, ehe die Sonne in wenigen Minuten vollends untergegangen sein wird. Denn es wird schnell kalt an diesen letzten Abend es ausklingenden Sommers.