Ingolstadt
Bis zum flexiblen Ende

Mit dem Umbau der Montagelinien kommt Audi weiter gut voran - der Abschluss im Jahr 2021 rückt näher

26.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:45 Uhr
Über die Montagelinie 2 laufen inzwischen sowohl Audis aus dem B- wie aus dem A-Segment (also A4/A5 und A3/Q2). Für die Front-Endmontage stehen am Band zwei Handlinggeräte (orange) zur Verfügung, die im Wechsel eingesetzt werden. Stufenlos können die Autos durch sogenannte Schweller bis über Kopfhöhe angehoben werden, was die Montage am Unterboden gewaltig erleichtert. Derweil läuft bereits der Aufbau der noch nicht modernisierten Bandabschnitte 5 und 6 auf der Montagelinie 1. Vorher wurden hier 1600 Tonnen Stahl entfernt. −Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Das Klackern der Kette ist weit hinten in der riesigen Halle noch zu hören.

Über Jahrzehnte war es immer da, der ständige Taktgeber für die automobile Produktion in Ingolstadt, der Antrieb für die Gehänge, an denen die unfertigen Autos entlang des Montagebandes schwebten. Blitzende Karossen an schmutzigen orangefarbenen Metallbügeln. Das ist ein Bild, das in wenigen Monaten in Ingolstadt komplett verschwunden sein wird, wenn der Autobauer die restlichen Abschnitte seiner beiden B-Linien, auf denen er bisher ausschließlich die Modelle A4/A5 gefertigt hat, nicht nur modernisiert, sondern auch flexibilisiert hat.

Während der langen Betriebsruhe in den großen Ferien ist ein weiterer großer Schritt dafür genommen worden. Die neuen Bandabschnitte 5/6 auf der Montagelinie 2 sind jetzt integriert. Hier laufen schon alle in Ingolstadt gefertigten Modelle (unter anderem die jetzt angelaufene Produktaufwertung des A4 oder die A3-Limousine aus Györ) trotz des unterschiedlich eingebauten Antriebsstrangs (längs oder quer) flexibel über eine Linie - so wie es unabdingbar ist, damit das Audi-Stammwerk letztlich als Produktionsstandort im Konkurrenzkampf des ganzen VW-Konzerns bestehen kann.

Statt der alten orangefarbenen Gehänge dominieren jetzt die grauen, schwenkbaren mit einer Traglast von drei Tonnen. "Wir könnten hier schon reine Elektroautos bauen", sagt Markus Schaller, der als Fördertechnikerplaner an dem Umbau beteiligt ist, bei einem Rundgang durch die Anlage. Welche E-Modelle kommen, ist noch nicht offiziell bekannt. Klar ist aber natürlich, dass der A3-Nachfolger Anfang Januar anlaufen wird.

Die dritte Ausbaustufe der Umstrukturierung haben die Audianer bei ihrem Millionenprojekt derzeit im Angriff. "Man merkt die Routine schon. Die Mannschaft kann aufeinander bauen", sagt der Gesamtprojektleiter Klaus Budweiser, der von Anfang an dabei ist. Am Ende der Ausbaustufe I mussten Anfang 2017 auf einen Schlag rund 1500 Mitarbeiter an einem neuen Arbeitsplatz anpacken, da zeitgleich die Vormontage in der Halle B und die ersten umgebaute Bandabschnitte 1/2 der B-Linien in der Haupthalle gestartet wurde. Ausbaustufe II (Bandabschnitte 3/4 und die Fahrwerk-Vormontage im Keller) ein Jahr später brachte "ein Maximum an Technik", unter anderem die "Hochzeit", bei der Karosserie und Antriebsstrang zusammengefügt werden. Ausbaustufe III fand seit Januar "unter extremem Zeitdruck" (Budweiser) statt. In nur sieben Monaten wurden die modernen Bandabschnitte 5 und 6 der B-Linie 2 aufgebaut und dann umgekoppelt.

Die alten Bandabschnitte wurden in den vier Wochen über den Sommer entfernt. "Da haben die Abwrackunternehmen massiv gewütet", beschreibt Werkleiter Albert Mayer die Dimension. 1600 Tonnen Stahl wurden rausgerissen. Der große Bagger mit der Kneifzange arbeitete rund um die Uhr. "Der hat den Stahl wie ein Kabel durchgezwickt", berichtet Mayer. Auf dem freien Baufeld werden nun wiederum die Bandabschnitte 5/6 der Montagelinie 1 aufgebaut, die bisher alleine für die Modelle A4/A5 reserviert ist und im Gegensatz zur Schwesterlinie mit halber Leistung läuft.

Beim DK-Besuch am Dienstag in der Frühschicht kam die komplett ertüchtigte Linie 2 schon auf 95 Prozent bei einem Soll von knapp 900 Fahrzeugen am Tag. "Das ist bisher Rekord", freute sich der Montagelinienleiter Ralf Feigl. Statt in engen und dunklen Bandbereichen können seine Leute nun an hervorragend beleuchteten Abschnitten arbeiten. Die breiten Versorgungswege daneben erlauben jetzt Gegenverkehr bei der Anlieferung und damit mehr "Das alles war für alle ein Aha-Erlebnis - wie in neues Haus einzuziehen. Das hat die Motivation sehr gehoben", sagt Feigl. Wer noch im alten Bereich der anderen Linien montiere, könne es kaum erwarten, auch diese Gegebenheiten zu haben. Das soll im nächsten Jahr um diese Zeit sein. Abgeschlossen wird die Umstrukturierung aber erst 2021 sein. Dann dürften die Ingolstädter Audianer definitiv wissen, welche Elektroautos sie über die völlig flexiblen Montagelinien schicken dürfen. Wie viele es dann sind, das ist eine andere Frage.

Christian Rehberger