Ingolstadt
Bis zum Ende des Regenbogens

Der Ingolstädter Arzt Frank Degenhardt überquerte in einem Segelboot den Atlantik

18.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:29 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Frank Degenhardt hat sich einen Lebenstraum erfüllt: Im Dezember überquerte der Ingolstädter Arzt in einem Segelboot den Atlantik.

16 Tage lang genoss er die endlose Weite des Ozeans. 5450 Kilometer stahlblaues Wasser, die „Lady Ann“ gleitet getrieben von den Passatwinden und den majestätischen Wellen über das Weltmeer nach Westen. Nur an einem Tag herrscht völlig Flaute, das Segelschiff bewegt sich nicht mehr voran. Die Crew lässt sich davon nicht beirren und nutzt die Gunst der Windstille: Sechs Segler der achtköpfigen Crew springen kurzerhand ins Wasser. 3600 Meter ist der Ozean an dieser Stelle tief. „Da hatten wir alle ein mulmiges Gefühl“, erzählt Frank Degenhardt. Eines der am Boot gebliebenen Crewmitglieder hält ständig Ausschau nach auftauchenden Haifischflossen. Doch der Arzt hat Glück: Unbeschadet geht es nach dem Ausflug wieder zurück an Bord.

16 Tage lang hat Degenhardt mit der „Lady Ann“ seinen Traum gelebt: Von Gran Canaria überquerte er den Atlantischen Ozean bis zur Karibikinsel St. Lucia. „Die Reise ist ein Traum vieler Segler. Das ist wie der Mount Everest für einen Bergsteiger“, sagt der 50-Jährige. Die Liebe zum Wasser hat der Arzt von seinem Vater geerbt. Schon als Kind segelt er auf dessen Boot auf dem Berliner Wannsee. „Damals fand ich das aber nicht so lustig“, erzählt Degenhardt. Er verbringt seine Freizeit lieber mit Windsurfen. Erst 1990 wagt er seinen ersten Segelturn mit einem Kollegen in der Karibik und weiß von da an: „Das ist meins.“

Zu seinem 50. Geburtstag will er sich seinen Lebenstraum erfüllen: Er organisiert ein Boot, einen Skipper und sucht nach einer Crew. Doch weil drei Segler absagen, scheint der Traum von der Reise über das Weltmeer zu zerplatzen. Ohne das Boot und die Crew zu kennen, bucht er sich kurzerhand in die „Lady Ann“ ein. Doch erneut gibt es ein Problem: Weil beim geplanten Start ein Sturm auf dem Ozean tobt, muss die Crew den Auftakt verschieben. Zwei Tage später, am 27. November, verlässt die holländische Yacht als eines von 239 Booten einer Cruiser-Regatta den Hafen von Las Palmas.

Der Alltag wird bestimmt von Wachschichten: Drei Stunden Dienst, dann sechs Stunden frei. Permanent muss die Crew den Wellen gegensteuern. Auch abseits des Steuers ist die Fahrt ein Kampf mit den Wogen: „Man wird ständig umhergeschmissen“, erzählt Degenhardt, „da braucht jeder Handgriff dreimal so lange.“ Kochen, schlafen, duschen – selbst auf der Toilette ist man vor den bis zu fünf Meter hohen Wellen nicht sicher und läuft Gefahr, sich blaue Flecken zu holen. „Die gigantischen Wellen haben mich aber auch fasziniert. Sie erscheinen wie Hochhäuser. Man hat zuerst Angst, aber dann sieht man schnell, dass sie einem nichts anhaben“, erzählt Degenhardt. Dennoch genießt der Arzt auch die Ruhe auf dem scheinbar unendlichen Meer. „Die wahnsinnige Weite, die Ausgeglichenheit – das war wie ein Akkuaufladegerät für mich.“

Mit den anderen sieben zufällig zusammengewürfelten Seglern aus Deutschland, Italien und den Niederlanden versteht sich der 50-Jährige blendend. Sie lassen sich auch von den vielen Squalls genannten Kleinstürmen nicht die Laune verderben. „Ich dachte, ich könnte in Bermudashorts rübersegeln, stattdessen saßen wir meist im Regenmantel an Bord. Aber das hat mich auch gefreut, schließlich wollte ich was erleben“, erzählt Degenhardt. Kulinarisch fehlt es ihm an nichts: Das Boot hat Proviant für vier Wochen an Bord. Neben Risotto, Spaghetti, Obst und Gemüse gibt es zur Abwechslung hin und wieder selbst gefangenen Fisch.

Nach 16 Tagen sieht Degenhardt erstmals wieder Land am fernen Horizont. Am 13. Dezember läuft die 20 Meter lange „Lady Ann“ auf St. Lucia ein. Die nächste Atlantiktour hat Degenhardt schon im Kopf: Er möchte von der Karibik über die Azoren nach Gibraltar segeln. Allen, die ihn davon abhalten wollen, entgegnet er mit seinem Leitspruch: „Von der Zeit, die einem gegeben ist, ziehen einem die Götter nicht die Tage ab, die man mit Segeln verbringt.“