Schrobenhausen
Bis 2025 an der Weltspitze

Abschluss der dreiteiligen Seminarreihe: Ingmar Niemann sprach in der vhs über Chinas große Pläne

18.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:40 Uhr
Ingmar Niemanns Vortrag über China beendete die dreiteilige Seminarreihe an der Schrobenhausener vhs. −Foto: Mayer

Schrobenhausen (SZ) Wie stieg China zur heutigen Wirtschaftsmacht auf und wie soll Europa darauf reagieren? Dieser Frage ging Dozent Ingmar Niemann in seinem Vortrag vor rund 40 Zuhörern nach und beendete damit - nach dem Blick auf USA und Russland - die dreiteilige Seminarreihe der Volkshochschule zu den großen weltpolitischen Regionen.

Zwei Begriffe prägen Niemanns Darstellung von Chinas Aufstieg: Zum einen die staatsethischen Grundlagen des Konfuzianismus, zum anderen die Strategie, mit der China seine globalen Ziele verfolgt. "Dabei ergibt sich einige Logik aus der Geschichte. Ostasien war schon vor Jahrhunderten ein starker Wirtschaftsraum, der aber durch europäische Kolonialpolitik und durch Kriege aufgestört wurde", so Niemann. Als besonders infam gelte der Opiumkrieg, mit dem das Rauschgift weit in die chinesische Gesellschaft eingeführt wurde, sodass es 40 Millionen Tote gab und das Land im Kern geschwächt war.

Im 20. Jahrhundert erfolgte zuerst die Befreiung vom Kaisertum, dann die Phase des Kommunismus unter der tragenden Figur Mao, der aber durch den "großen Sprung" - eine überstürzte Industrialisierung und Hungersnot durch Vernachlässigung der Landwirtschaft - und durch die Kulturrevolution eine irritierende Entwicklung vorantrieb.

"Erst 1982 begann der Weg, der China binnen 30 Jahren zur Wirtschaftsmacht wachsen ließ, als KP-Führer Deng einen ersten Schritt zum Privateigentum zuließ", erklärte Niemann. Unter Dengs Nachfolgern verfolgte das große Reich eine Expansionspolitik, die im Westen lange Zeit unterschätzt wurde. Mittlerweile lässt sich die Strategie analysieren. Dass die chinesische Industrie durch Kopieren und Missachtung von Urheberrechten groß wurde, verärgerte zwar viele westliche Firmen, geht aber auch auf die Grundhaltung zurück, dass China damit "von den Besten lernen wollte".

Mittlerweile wandle sich diese Haltung und das Land baue sein Bildungswesen mit Gründung vieler neuer Universitäten immer weiter aus, vor allem für Ingenieure mit Konzentration auf die wichtigsten Wirtschaftsbereiche der Zukunft. In China wurden diese genau definiert: Maschinenbau, Automobilindustrie und Erneuerbare Energien. Mit einer weiteren Untergliederung - von Luft- und Raumfahrt bis zur Biomedizin - wurde die Devise ausgegeben, dass China bis 2025 auf diesen Feldern an der Weltspitze stehe wolle. "Für all diese Ziele ergibt sich zuvorderst die Frage nach Rohstoffen, und so ging man auf allen Kontinenten auf Einkaufstour, auch mit einer Art Entwicklungshilfe. In vielen Ländern Afrikas, die wichtige Rohstoffe zu bieten haben, bauen Chinesen die Infrastruktur aus", so Niemann. Das Engagement sei willkommen, zumal die neuen Beziehungen nicht die Altlasten des einst aus Europa kommenden Kolonialismus mittragen. Die großen Privatunternehmen Chinas handeln im Sinne der staatlichen Ziele und unter staatlicher Kontrolle.

Mit immer mehr Wirtschaftsbereichen der Welt hat China die Handelsbeziehungen ausgebaut - aber wo liegen die Vorteile? Noch ist auch nicht klar, ob der Westen am chinesischen Konzept der "Neuen Seidenstraße" seine große Freude haben wird. Dieses Großprojekt ist die Wiederbelebung einer alten Idee aus dem Mittelalter, ist seit zwei Jahrzehnten am Entstehen, wenngleich der Begriff erst in den letzten Jahren in den Vordergrund kam. Umgesetzt wird ein Netz von Verkehrswegen in Richtung Europa, mit Bahn- und Schiffsverkehr und neuen Straßen. Bekannte Ankerpunkte in Europa sind Duisburg mit Bezug zum Atlantik und Griechenland, wo die Chinesen den Hafen von Piräus in ihren Besitz gebracht haben.

Kritisch zu sehen sind die Spannungen zwischen China und den USA. Mittlerweile, so Niemann, sei auch die militärische Konfrontation nicht zu unterschätzen. Ein weiterer "Kriegsfall" ergibt sich zwischen dem kommunistischen China und dem hochgerüsteten "Nationalchina" Taiwan; neuerdings sind aus Peking bedrohliche Töne zu hören.

Die europäischen Reaktionen auf die Vereinnahmung ganzer Industrie- und Innovationsbereiche sieht Niemann als absolut unzureichend. Das längst sichtbare Eindringen Chinas in die deutsche Industrie wurde durch die Teilübernahme von KUKA in Augsburg besonders deutlich. Auf Drängen der Wirtschaft kam zwar ein Passus zur China-Politik in den Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung, aber bislang ist keinerlei Handlung sichtbar.

Jana Gerstmair, die Geschäftsführerin der Volkshochschule, konstatierte erfreut, dass an die 40 Hörer zum China-Vortrag gekommen waren, seit dem Auftakt der Vortragsreihe eine Verdoppelung. In Zukunft werde die vhs die Politische Bildung weiter ausbauen. Mit Ingmar Niemann sind für das kommende Frühjahr zwei Vorträge zum Thema Europa angesetzt, auch mit Blick auf die Europawahl.
 

Franz-Josef Mayer