Eichstätt
Bilanz mit gemischten Gefühlen

Der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken, Albert Schmid, zieht sich zurück

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Der erste Sozialdemokrat an der Spitze des Landeskomitees der Katholiken: Albert Schmid beim Bilanzgespräch in Eichstätt. - Foto: Schneider

Eichstätt (DK) Wenn Albert Schmid an diesem Samstag seinem Nachfolger die Hand schütteln und zur Wahl zum Vorsitzenden des Landeskomitees der Katholiken in Bayern gratulieren wird, dann schaut er mit gemischten Gefühlen auf den Zustand der katholischen Kirche, aber auch der Gesellschaft. "Wir sind in freiem Fall", sagte der 71-Jährige am Freitag vor Journalisten in Eichstätt.

Dort kommt an diesem Wochenende das Landeskomitee zu seiner Vollversammlung zusammen. Damit bezog er sich auf die Austritte aus den Kirchen, den sinkenden Besuch der Gottesdienste, die wenigen Eintritte in die Priesterseminare: "Da muss ich doch reagieren."

Er, der mitunter als streitbar und auch eigenwillig geltende Laienvertreter, appellierte in direkter Form an die Bischöfe: "Lassen Sie sich helfen, lösen Sie sich von der Machtfrage." Dass es nur so gehe, das hätten nicht alle verstanden. Schmid, der 2009 als erster Sozialdemokrat in der über 60-jährigen Geschichte an die Spitze des Landeskomitees gewählt worden war, forderte dazu auf, die Hierarchie nicht als Herrschaftsanspruch zu sehen. Schmid verteidigte in diesem Zusammenhang auch sein Einspringen für den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst: "Jemandem, der in Bedrängnis ist, muss man helfen, muss man menschliche Nähe zeigen." Er habe damals nicht die Sachlage an sich gutheißen wollen. "Dass ich da falsch verstanden worden bin, das hat mich sehr getroffen."

Bestürzt zeigte sich Schmid im Rückblick auf seine achtjährige Amtszeit über den 2010 aufgekommenen Missbrauchsskandal in der Kirche. "Wir waren zutiefst erschrocken." Er habe sich nicht vorstellen können, dass das solche Ausmaße annehme. Das "Institutionsinteresse" habe man zurückgestellt. "Ohne das Opferleid in den Mittelpunkt zu rücken, kann ich dieses Thema nicht angehen", sagte Schmid. Seiner Ansicht nach ist das bis heute nicht aufgearbeitet: "Die Glaubwürdigkeitskrise ist nicht im Entferntesten beendet." Da helfe es nicht, das exemplarisch abzuarbeiten. Man dürfe dabei aber auch nicht vergessen, nach vorne zu diskutieren. In dem Zusammenhang forderte Schmid, Frauen in der Kirche mehr Wertschätzung entgegenzubringen, deren Rolle in dem von Männern dominierten Raum zu überdenken.

Einen kritischen Blick richtete Schmid, früher Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, auf die gesellschaftliche Entwicklung. So sei die Kirche in Teilen durchaus anfällig für solche "rechten Schalmeientöne". Wenn Politiker das Thema Lebensschutz für sich instrumentalisieren, ohne Konkretes folgen zu lassen, dann sei das ein Zeichen "fehlender Urteilsfähigkeit". Schmid sagte, er wisse auch, "dass die AfD auch auf katholischem Terrain ihr Unwesen treibt". Der CSU warf Schmid - für dessen Nachfolge als Landeskomitee-Vorsitzender an diesem Samstag in Eichstätt der bisherige Vize Joachim Unterländer und die Eichstätter Juraprofessorin Renate Oxená †knecht-Witzsch kandidieren - "Taktik" vor: "Das ist von christlichen Prinzipien, wie etwa der Bergpredigt, weit entfernt." Transitzentren oder auch die in Eichstätt geplante Abschiebehaftanstalt lehnte der ehemalige SPD-Fraktionsführer ab: Sie seien überflüssig, wenn die Rückführung konsequenter gehandhabt würde.

Zum Abschied Schmids würdigte auch Kardinal Reinhard Marx dessen Arbeit. Er unterstrich die "an der christlich fundierten Würde jedes Menschen orientierte Haltung", die das Landeskomitee mit seinem Vorsitzenden Schmid in öffentlichen Debatten zu Gehör gebracht habe. Dies sei mit Blick auf die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, in den Diskussionen über Asyl und Integration oder bei der Frage nach dem christlichen Beitrag für eine demokratische Gesellschaft der Fall gewesen.