München
Bibliotheken sind kein Auslaufmodell

Die Digitalisierung an Universitäten schreitet voran, trotzdem wird das analoge Literaturangebot genutzt

21.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:29 Uhr
Die Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt bietet nicht nur Literatur in gedruckter wie digitaler Form, sondern auch Arbeitsplätze, die von den Studierenden gerne genutzt werden. −Foto: Rössle/DK-Archiv

München/Ingolstadt (DK) Regale voller Bücher reihen sich aneinander, daneben stehen Kopierer, Scanner und Arbeitsplätze - der Blick in eine Fachbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München macht deutlich: Die Bibliothek im klassischen Sinne existiert noch und wird genutzt.

"Ich bin hier zum Lernen und Arbeiten", sagt die Lehramtsstudentin Carolin. Sie leihe natürlich auch Bücher aus, bei Zeitschriften nutze sie eher das Onlineangebot. "Heutzutage muss man für sein Studium beide Quellen nutzen", erklärt die 25-Jährige.

Drüberscrollen, reingucken, einen groben Überblick bekommen - das sind laut Maria Löffler, Bibliotheksdirektorin an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die Vorteile bei der Nutzung von E-Medien. "Wenn man aber komplexe Zusammenhänge verstehen oder sich Wissen aneignen will, greifen viele doch zum Printexemplar. "

Unibibliotheken böten einen vielfältigen Mix digitaler wie gedruckter Angebote sowie Leistungen vor Ort und im virtuellen Raum, sagt Matthias Groß vom Bibliotheksverbund Bayern. "Der Untergang der Bibliotheken existiert nur in den Köpfen von Apokalyptikern, die diese mit einer Lagerhalle für alte Bücher verwechseln. " Im Zuge der Digitalisierung wandle sich nicht nur das Studium, sondern auch die Arbeit in den Universitätsbibliotheken selbst.

Neben dem bibliothekarischen Sachverstand brauche es mittlerweile auch Kenntnisse im Bereich Technik und digitale Bildbearbeitung, sagt Katharina Boll-Becht, Leiterin des Digitalisierungszentrums der Universitätsbibliothek Würzburg. "Die riesigen Datenmengen müssen aktualisiert und gepflegt werden. " Trotz Online-Katalogen und detaillierter Sucheingaben seien Bibliothekare, die bei der Literaturauswahl helfen, immer noch wichtig. "Es ist aber nicht leicht, geeignetes Personal zu finden und zu halten", sagt Klaus-Rainer Brintzinger, Bibliotheksdirektor der LMU.

Als Hürde der Digitalisierung sieht Boll-Becht auch das fehlende Budget. Es sei nicht einfach, anfallende Kosten für die Anschaffung und Wartung notwendiger Geräte, beispielsweise Scanner, durch Drittmittel zu finanzieren. Jutta Faust von der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg bestätigt: "Befristete Drittmittelprojekte erschweren die Planung bezüglich Personal, Aufbau und Pflege der technischen Infrastruktur. "

Die Zahlen machen deutlich, dass E-Medien an bayerischen Universitäten ankommen. Im vergangenen Jahr wurde in Würzburg mehr als 5 Millionen Mal auf digitale Dokumente zugegriffen (2017: rund 4 Millionen) und analog wurden mehr als 620000 Werke ausgeliehen (2017: rund 660000). An der FAU sind 2018 digitalisierte Werke mehr als 105000 Mal aufgerufen worden. Bei der Buchleihe ist auch hier ein Rückgang erkennbar - 2015 waren es noch 530000, 2017 schon 40 000 weniger. 2,6 Millionen Zeitschriftenartikel wurden im vergangenen Jahr an der LMU heruntergeladen, und es gab 5 Millionen Kapitelzugriffe auf E-Books. Zu klassischen Bänden wurde 450000 Mal gegriffen.

Der Würzburger Unibibliothek etwa werden zwei Millionen Besuche pro Jahr abgestattet. "Für Studenten ist das wie ein zweites Wohnzimmer", sagt Boll-Becht. Besonders in den Prüfungsphasen sei die Auslastung hoch. "Bibliotheken bieten den Studierenden Platz für gemeinsames Arbeiten", sagt Brintzinger. Viele Studiengänge seien darauf ausgelegt. Deshalb werde darauf geachtet, ruhige wie kommunikative Zonen anzubieten, die durch eine flexible Einrichtung Einzel- und Gruppenplätze sowie geschlossene Arbeitsräume ermöglichen. Auch an der Uni Regensburg nutzt durchschnittlich die Hälfte der rund 20000 Studierenden die Bibliothek als Lernraum, weiß Bibliotheksdirektor André Schüller-Zwierlein.

Die Unibibliotheken können dem Deutschen Bibliotheksverband zufolge als Vorreiter für die Verbindung zwischen analogen und digitalen Anwendungen gesehen werden. Dies hängt neben der individuellen Vorliebe für die Nutzung auch vom Angebot der Verlage ab: "Während größere Verlage im naturwissenschaftlichen und medizinischen Bereich verstärkt auf E-Medien setzen, arbeitet eine sehr große Zahl mittelständischer Verlage vor allem in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften weitgehend konventionell", sagt Groß. Da gebe es auch langfristig keine Alternative zur analogen Ausleihe.

Nicht zu vergessen: "Viel Literatur aus dem 20. Jahrhundert gibt es bisher ohnehin nur analog, weil das Urheberrecht eines Werkes in der Regel 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlischt", erklärt Löffler. Erst dann sei die Verfügbarkeit, in welcher Form auch immer, frei und für jeden zugänglich.
 

Luisa Riß